Wien - Eine eher allgemein gehalten EU-Debatte hat Mittwoch im Nationalrat der zweite Europatag gebracht. Einig waren sich SPÖ, Grüne und Freiheitliche dabei in ihrer Ablehnung des Budget-Vorschlags des britischen EU-Vorsitzes. ÖVP und Sozialdemokraten bezeichneten jeweils den Kampf gegen Arbeitslosigkeit als oberste Priorität für die kommenden Monate. Nationalratspräsident Andreas Khol (V) tadelte, dass zu wenig zum eigentlichen Thema - dem Legislativprogramm der Kommission - gesprochen werde.

SPÖ

SP-Chef Alfred Gusenbauer betonte, dass die EU nur dann mehr Akzeptanz bei den Bürgern gewinnen werde, wenn es gelinge, das Wirtschaftswachstum zu steigern und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Investitionen seien notwendig in Forschung, Entwicklung und soziale Sicherheit. Dies sei bei der Finanzvorschau der Union ebenso zu beachten wie dass die Klein- und Bergbauern nicht unter die Räder kämen. Deren Rechte dürften nicht "auf dem Altar eines französisch-britischen Kompromisses geopfert werden". In Sachen Verfassung beklagte Gusenbauer, dass es wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein könne, einfach nichts zu tun.

Schärfere Kritik am derzeitigen Zustand der Union übte der geschäftsführende SP-Klubchef Josef Cap - etwa in Sachen Erweiterung. Hier seien sehr stark neoliberale "Binnenmarktphilosophen" am Werk, die die Erweiterung nur deshalb betrieben, um Lohndruck, Steuer- und Standortwettbewerb zu forcieren. Der Bundesregierung warf Cap vor, kein Konzept für die bevorstehende Ratspräsidentschaft zu haben.

ÖVP

Der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Michael Spindelegger, gab sich nach dieser Rede traurig, wie die einstige Europapartei SPÖ abgeglitten sei. Die Volkspartei werde hingegen als echte Europapartei in den kommenden sechs Monaten entsprechende Taten setzen - unter anderem mit Initiativen für den Mittelstand und einer Subsidiaritätskonferenz.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) warb in seiner Replik auf die SP-Redner für Steuerwettbewerb, würde dieser doch auch Österreich etwas bringen, wie erst jüngst die Ansiedlung der Borealis-Headquarter bewiesen habe. Als Priorität gab er den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aus und nannte die Wiederbelebung des Lissabon-Prozesses als eines der Hauptziele der österreichischen Präsidentschaft. Man werde jedenfalls einen professionellen Job abliefern und mit "mehr zuhören" einen Beitrag gegen die grassierende Europa-Skepsis leisten.

BZÖ

Von Seiten des BZÖ versprach Vizekanzler Hubert Gorbach, dass man in Sachen Verfassung nicht zur Tagesordnung übergehen werde: "Die Bevölkerung erwartet sich ein Europa, wo die Kompetenzen klar und neu verteilt werden." Vertrauen schaffen könne man aber nur, wenn man ein Europa der Regionen auch lebe. Kritisch äußerte sich der Vizekanzler zum Finanz-Vorschlag des britischen Premiers Tony Blair. Hier gebe es zu wenig Beweglichkeit bei Briten-Rabatt und im Bereich Landwirtschaft. Für Heiterkeit sorgte der Tempo-160-Minister mit seiner Ankündigung, dass ein Schwerpunkt des österreichischen EU-Vorsitzes der Verkehrssicherheit gewidmet sei.

FPÖ

Der freiheitliche Klubchef Herbert Scheibner (B) sprach sich für mehr Bürgernähe dadurch aus, dass den Menschen Initiativen auch tatsächlich zur Abstimmung vorgelegt würden. In Sachen Verfassung vermisste er beim Legislativprogramm der Kommission Initiativen, wie man aus der Misere herauskommen könnte. Eingefordert wurde von Scheibner weiteres eine klare Stellungnahme im Zusammenhang mit den angeblichen CIA-Gefangenentransporten in Europa. Es könne nicht geschwiegen werden, wenn Verdachtsmomente zu Menschenrechtsverletzungen vorlägen. Mehr Engagement der EU verlangte der Klubchef schließlich bei Krisenherden im Nahen Osten und in Afrika. Der FPÖ-Abgeordnete Reinhard Bösch will von der Union einen entschiedeneren Kampf gegen die Globalisierung und verlangte im Verfassungsstreit ein Zurück an den Start.

Grüne

Ein Plädoyer für die EU gab es vom Grünen Bundessprecher Alexander Van der Bellen: "Wenn es die EU nicht gäbe, müsste man sie neu erfinden." Kritiklos steht er der Union freilich trotzdem nicht gegenüber. Vor allem die britische Ratspräsidentschaft hat es ihm im negativen Sinne angetan: "Nichts tun mit Absicht" sei die Devise von Premier Blair gewesen. Zum Finanzvorschlag des britischen Ministerpräsidenten meinte Van der Bellen, dieser sei "beschämend" und tauge bestenfalls für ein Mini-Europa, wie dies Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso bereits festgestellt habe.

Ebenfalls ein energisches Vorgehen der Union verlangte der Grünen-Chef in Sachen europäische CIA-Gefängnisse. Hier könne man nicht zur Tagesordnung übergehen. Gorbach als "Vizekanzler für Geisterfahrer" gab Van der Bellen die Schuld, wenn die Emissionsausstöße nun weiter anwachsen würden. Diese Frage sei auf europäischer Ebene weiterzudebattieren. (APA)