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Unmittelbar nach dem Vorfall wurde die Maschine von Einsatzkräften umringt.

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Rigoberto Alpizar

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Miami/Washington - Mehrere Zeugen gaben am Freitag laut Nachrichtenagentur AP bekannt, sie hätten das Wort "Bombe" aus dem Mund des erschossenen Rigoberto Alpizar nie gehört. US-amerikanische Flugsicherheitsbeamte (Sky Marshals bzw. Air Marshals)hatten Alpizar am Mittwoch auf dem US-Flughafen in Miami erschossen. Dem US-Heimatschutzministerium zufolge hatte der offenbar verwirrte Mann angedeutet, in seinem Rucksack eine Bombe zu haben, als er in die American-Airlines-Maschine einstieg. Das Flugzeug war auf dem Weg von Medellin (Kolumbien) nach Orlando (Florida) und machte in Miami eine Zwischenlandung. Die Air Marshalls erschossen den Mann, als dieser zu fliehen versuchte und dabei in seine Tasche griff.

Bomben-Drohung?

Während es anfangs geheißen hatte, Alpizar habe mit einer Bombe gedroht, verneinen das jüngst befragte Zeugen, die sich ebenfalls in der American Airlines-Maschine befunden hatten. Ein Passagier meinte, er habe erst vom Verdacht auf Bombendrohung erfahren, als er vom FBI befragt wurde. Vorher hatte er nie das Wort "Bombe" aus dem Mund des Erschossenen gehört.

Bei dem Opfer handelt es sich um den 44-jährigen US-Bürger Rigoberto Alpizar, der aus Costa Rica stammte. Augenzeugen berichteten, der Mann sei kurz vor dem Start nach Orlando in der Maschine der American Airlines mit den Armen fuchtelnd den Gang entlang gerannt. Nach Angaben des Büros der bewaffneten Flugbegleiter in Miami stieß der Mann dabei Drohungen aus und erklärte, er habe eine Bombe bei sich.

Keine Bombe gefunden

Die Air Marshals stellten sich dem Mann in den Weg, wie ein Sprecher des Heimatschutzministeriums erklärte. Er sei jedoch aus der Maschine gestürmt. Die Sicherheitsbeamten hätten den Mann aufgefordert, stehen zu bleiben und sich auf den Boden zu legen. Er habe aber nicht auf sie gehört und allem Anschein nach in seine Tasche gegriffen, woraufhin die Air Marshals das Feuer auf ihn eröffnet hätten. Später teilte die Polizei mit, im Handgepäck des Erschossenen sei keine Bombe gefunden worden.

Opfer psychisch krank

Nach unbestätigten Meldungen war der Mann manisch-depressiv und hatte seine Medikamente nicht genommen. Eine Passagierin sagte dem Fernsehsender WTVJ, der Mann habe einen verwirrten Eindruck gemacht und offensichtlich behandelt werden müssen. Er sei wie wahnsinnig durch den Mittelgang des Flugzeugs gelaufen. Seine Frau habe gerufen: "Mein Mann, mein Mann!", und dann noch "Stopp, Stopp" und auf Spanisch "Er ist krank, er ist krank!". "Sie rannte hinter ihm her und plötzlich gab es vier oder fünf Schüsse", sagte Mary Gardner.

Kritik an Eingreifen der Flugbegleiter

Ein anderer Augenzeuge zeigte sich im Gespräch mit der Zeitung "Miami Herald" erschüttert über das harte Eingreifen der Flugbegleiter. "Sie haben mir eine Waffe an den Hinterkopf gehalten und gesagt: Legen Sie Ihre Hände auf den Sitz!", sagte John McAlhany dem Blatt zufolge. "Das jagte mir mehr Angst ein als alles andere." Nach etwa einer Stunde mussten die Reisenden dann das Flugzeug vorübergehend verlassen. Ihr Ziel Orlando erreichten sie mit rund sieben Stunden Verspätung.

Zwei Taschen "vorsorglich" gesprengt

Die Behörden wollten sich zur Zahl der abgegebenen Schüsse nicht äußern und machten auch keine Angaben zur Zahl der Flugbegleiter an Bord der Maschine. Nach dem Vorfall seien die Gepäckstücke aller Passagiere auf dem Rollfeld ausgebreitet und mit Hunden auf Sprengstoff untersucht worden, erklärte ein Sprecher. Mindestens zwei Taschen seien vorsorglich gesprengt worden.

Nachbarn und Angehörige des Getöteten zeigten sich von dem Vorfall erschüttert. Der 44-Jährige und seine Frau lernten sich vor etwa 20 Jahren kennen, als sie sich als Austauschschülerin in Costa Rica aufhielt. In dem Vorort von Orlando, wo das Paar lebte, galt er als freundlicher und friedliebender Mann. "Er war ein netter Kerl, lächelte immer und war sehr gesprächig", sagte eine Nachbarin. Dass er mit einer Bombe gedroht haben sollte, könne sie sich überhaupt nicht vorstellen.

Die übrigen 113 Passagiere der Boeing 747 wurden nach den Schüssen aufgefordert, das Flugzeug mit erhobenen Händen zu verlassen. Eine Wartehalle wurde für kurze Zeit evakuiert, Scharfschützen bezogen Position. Im Fernsehen war zu sehen, wie Sicherheitskräfte mit Spürhunden die Gepäckstücke des Flugzeugs untersuchten. Ein Vertreter der Flugbegleitervereinigung erklärte später, es sei kein Sprengstoff gefunden worden.

Heimatschutzministerium: Flugbegleiter handelten richtig

Vertreter des Heimatschutzministeriums wollten sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern, der Mann sei möglicherweise geistig verwirrt gewesen. Sicherheitsexperten bekräftigten jedoch, die Flugbegleiter hätten auch dann richtig gehandelt, falls sich dieser Verdacht erhärten sollte. Ihre Aufgabe sei es, für Sicherheit an Bord zu sorgen. Zudem gehörten Flugbegleiter zu den besten Schützen überhaupt. Sie seien dahingehend ausgebildet worden, im Notfall möglichst wenige andere Passagiere zu verletzen.

Die bewaffnete Flugbegleitung war in den USA zur Verbesserung der Sicherheit an Bord von Flugzeugen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verstärkt worden. Damals hatten Extremisten Passagiermaschinen entführt und in das World Trade Center in New York und in das Verteidigungsministerium in Washington gesteuert.

US-Regierung: Verhalten der Sky-Marshals "gemäß Ausbildung"

Die Sky-Marshals handelten auch der US-Regierung zufolge gemäß ihrer Ausbildung. Eine Untersuchung solle zeigen, ob die Verhaltensrichtlinien geändert werden müssen, teilte das US-Präsidialamt am Donnerstag mit.

Es war das erste Mal, dass die Sky-Marshals seit den verstärkten Sicherheitsvorkehrungen nach den Anschlägen 2001 auf einen Passagier schossen. "Ich glaube, dass sich niemand eine Situation wie diese wünscht, aber die Sky-Marshals haben sich scheinbar ihrer intensiven Ausbildung entsprechend verhalten", sagte der Sprecher des US-Präsidialamtes Scott McClellan. Das Heimatschutzministerium ermittele gemeinsam mit der Bundespolizei FBI die Hintergründe. "Jedes Mal, wenn es eine solche Untersuchung gibt, lernt man etwas für spätere Ausbildungen und Anweisungen", sagte McClellan. (APA/AP/Reuters/dpa)