Die windige Art, wie sich unsere Außenministerin gegen den Vorwurf angeblich gar nicht existierender CIA-Folterkammern in Osteuropa rechtfertigte, weckt üble Erinnerungen an die Höhenflüge Clinton'scher Hermeneutik:

Clinton hat sich bekanntlich im Wahlkampf 1992 gegen den Vorwurf des Marihuanakonsums mit dem Satz verteidigt, er habe niemals die Gesetze dieses Landes verletzt. Denselben Eiertanz führt nun Condoleezza Rice vor, indem sie auf Fragen bezüglich der Auslagerung von Folterpraktiken versichert, dass Präsident Bush niemals die Gesetze dieses Landes verletzt habe.

Bei Clinton ging es allerdings nur um das Rauchen eines kleinen Joints, im gegenständlichen Fall dagegen darum, dass man Menschen auf offener Straße kidnappt und lebensbedrohlichen Prozeduren unterwirft.

"Foltern von Gefangenen wird von den USA weder autorisiert noch geduldet", sagt sie. - Hängt nur davon ab, was man unter "autorisieren", "dulden", "foltern" und "Gefangene" versteht. Rice behauptete auch, dass die USA keine Transporte von Gefangenen durchgeführt hätten, um sie außer Landes Folter-Verhören zu unterziehen. Aber, wie pflegt doch "Rummy" (Rumsfeld) so schön zu sagen: Sachen passieren ...

Und der Präsident sagt, er sei selbstverständlich gegen Folter - propagiert aber im selben Atemzug Regelungen, die jeder normale Mensch - und Betroffene natürlich erst recht - nur als Folter betrachten kann. Alberto Gonzales und andere haben die Definition von Folter so weit aufgeweicht, dass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, was dann überhaupt noch Folter ist: Unter dieser Regierung hat man Gefangene an den Handgelenken aufgehängt, Elektroden an ihren Genitalien befestigt, man hat sie "gewässert", extremer Hitze und Kälte ausgesetzt und in Todesangst versetzt - manchmal mit letalen Folgen.

Glaubt Rice wirklich, dass ihr irgendjemand eine derart mit Hintertüren gepflasterte Verteidigung abkauft? (DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2005/Übersetzung: mj)