Washington - Ein ranghohes Al-Kaida-Mitglied, dessen Aussage von den USA zur Rechtfertigung des Irak-Kriegs herangezogen wurde, hat seine Aussagen nach eigenen Angaben unter Zwang gemacht und später zurückgezogen. Ibn al-Sheikh al-Libi (Liby) habe angegeben, bei seinen Vernehmungen in Ägypten über eine Verbindung zwischen dem Irak und der Terrororganisation Al-Kaida von Osama Bin Laden gelogen zu haben, um weiteren Misshandlungen zu entgehen, berichtete die "New York Times" (NYT) am Freitag unter Berufung auf heutige und frühere US-Beamte.

Der Fall sei der erste öffentliche Hinweis darauf, dass fehlerhafte Geheimdienstinformationen über den Irak auch eine Folge der US-Praxis sein könnten, Verdächtige ins Ausland zu schicken, um die US-Vorschriften über den Umgang mit Gefangenen umgehen zu können, schrieb das Blatt. Der gebürtige Libyer wurde Ende 2001 in Pakistan gefasst. Zunächst wurde er in Afghanistan gefangen gehalten, Anfang 2002 sei er in ein Gefängnis nach Ägypten verlegt worden, berichtete die "New York Times". Erst dort habe er plötzlich konkrete Angaben zu angeblichen Verbindungen zwischen dem Irak und Al-Kaida gemacht. Nachdem Libi wieder in US-Haft zurückgekehrt sei, habe er seine Aussage im Jänner 2004 zurückgezogen.

Bereits vor einem Monat war bekannt geworden, dass die US-Regierung trotz Warnungen des Militärgeheimdienstes bei ihrer Rechtfertigung des Irak-Kriegs auf Libis Aussagen gesetzt hatte. Im November frei gegebene Regierungsdokumente belegen, dass der Geheimdienst Libis Hinweise zu einer Verbindung zwischen Al-Kaida und dem Irak bereits im Februar 2002 als "vorsätzlich irreführend" bewertet hatte. Dennoch war US-Präsident George W. Bush acht Monate später mit den Anschuldigungen an die Öffentlichkeit getreten, Al-Kaida-Kämpfer seien im Irak in der Herstellung von Giften und Gasen ausgebildet worden. Die fragwürdigen Informationen fanden auch Eingang in die Rede des damaligen US-Außenministers Colin Powell vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York. (APA)