Pünktlich zu jedem 8. Dezember meldet sich die römisch-katholische Kirche zu Wort und argumentiert gegen die Ladenöffnungszeiten. Getreu der Maxime "Wie darfst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen – und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler..." (Matthäus, 7, 1-5) haben wir uns in den diversen Stiften umgesehen und den angebauten Stifts-Shop visitiert.

Die Öffnungszeiten in Stift Heiligenkreuz lassen die Shopping City Süd vor Neid erblassen: Lediglich an einem Tag im Jahr – konkret am 25. Dezember – handelt man keine Devotionalien und Souvenirs. Oh, Shoppingparadies! Stift Göttweig gab Auskunft, dass allein der 24. Dezember zum Ladenschluss zwinge, am 31. Dezember habe man halbtags offen, ansonsten täglich bis 17.30 Uhr. In Klosterneuburg klingelt keine Kasse am Stefanitag und Christtag, ansonsten rollt der Rubel. Sonn- und feiertags, selbstverständlich auch am 8. Dezember findet man im Stift Admont Postkarten, Reiseführer und Bildbände der Region, Apfelsaft und handgeschöpfte Schokoladen, Mineralien, echten Schmuck, Bücherstützen, Briefbeschwerer, Rosenkränze, Gebetbücher, Heiligenbilder, Uhren, T-Shirts, Sweater, Schreibgeräte und noch vieles mehr. Die Patres wissen es: Gepredigtes Wasser verkauft sich weniger gut als "Schnaps aus der Weststeiermark und Wein aus den stiftischen Weingärten in Slowenien".

Macht hoch die Tür

Froh über jeden Cent, aber getrennt von der Familie, tut der Verkäufer/die Verkäuferin besinnlichen Dienst am Tag des Herrn und verkauft, was der Laden hergibt: Jene, die den Weg ins Stift finden, sollen nicht mit leeren Händen gehen. Man ist kundenfreundlich, vor allem wenn der Umsatz stimmt.

Fragt sich bloß, ob dieselben Motive nicht auch die profanen Krämer motivieren: "Macht hoch die Tür, die Tor' macht weit."

Was Jesus durch sein Matthäus-Zitat lehre, so der Philosoph Peter Sloterdijk, sei eine revolutionäre Selbstreflexion: mit sich selbst zu beginnen und dann, wenn wirklich die anderen aufgeklärt werden sollen, mit eigenem Beispiel voranzugehen. "Aber freilich läuft es in der normalen Weltordnung andersherum: die Gesetzesherren beginnen mit den anderen, und ob sie auch zu sich selbst kommen, bleibt ungewiss." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11.12.2005)