Mit seinem neuerlichen tiefen Griff in die Kiste des Antisemitismus hat Mahmud Ahmadi-Nejad gezeigt, wie weit außerhalb der Staatengemeinschaft er mittlerweile steht. Man mag diskutieren, wie ausdrücklich der iranische Präsident in seinem Interview in Mekka die Tatsache des Holocaust leugnete - aber es ist unerheblich: Er wird es bei anderer Gelegenheit in der einen oder anderen verschlungenen Form sicherlich wieder tun. Das Existenzrecht Israels hat Ahmadi-Nejad jedenfalls einmal mehr klar infrage gestellt und damit bewiesen, dass seine öffentlichen Äußerungen vom vergangenen Oktober keinesfalls ein Versehen waren. Wie politikfähig ist ein Staatschef, der ein anderes Land als "Krebsgeschwür" bezeichnet? Wie ernst kann man einen Präsidenten nehmen, der 70 Millionen Iraner repräsentieren soll und eine absurde Idee wie den Abtritt österreichischer und deutscher "Provinzen" für einen Staat Israel als "wirkliche Lösung" des Nahostkonflikts anbietet? Ahmadi-Nejad schwitzt mit seiner Rhetorik noch den religiösen Eifer der islamischen Revolution vor einem Vierteljahrhundert aus. Er verspielt dabei, was er heute in dem sehr ernst gewordenen Streit um das iranische Atomprogramm bräuchte - Glaubwürdigkeit. Die unsäglichen Äußerungen des iranischen Staatspräsidenten könnte man seiner Einfalt zuschreiben, sie haben gleichwohl Methode: Ahmadi-Nejad, der nach sechs Monaten im Amt zwar 40 Botschafter ausgetauscht hat, aber immer noch keinen Kandidaten für das Amt des Ölministers durchgebracht hat, sieht sich starkem Widerstand im Parlament ausgesetzt. Den konservativen Abgeordneten ist der Präsident zu unkontrolliert, dem obersten geistlichen Führer Khamenei mittlerweile auch. Mit seinen antiisraelischen Ausfällen sucht Ahmadi-Nejad wohl seine Wähler bei der Stange zu halten. Im breiten Volk kommen solche Parolen immer an. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2005)