Illustration: STANDARD/Oliver Schopf
In seiner Studentenbude gründete Dieter Daniels 1984 in einer "typischen Selbstausbeutungsaktion" die Videonale Bonn, das erste Festival für Videokunst in der damaligen Hauptstadt. Das Ars Electronica Festival in Linz, einer der Partner des neuen Ludwig-Boltzmann-Instituts für Medien.Kunst.Forschung., war dem 1957 geborenen, heutigen Leiter des Instituts schon ein Begriff. Gemeinsam mit dem Lentos Museum und der Kunst-Uni Linz wird dort medienorientierte Forschung betrieben, also Medientheorie und Kunstgeschichte, aber auch Entwicklung von Software und Datenbanken. Das Medium Video hatte es Daniels künstlerisch angetan, daneben studierte er Kunstgeschichte.

Das stete Wandeln zwischen zwei Welten ist typisch für ihn. Nach Videokunst und Kunstgeschichte in Bonn war er - als Leiter der Mediathek - der erste Kunstwissenschafter unter Technikern am Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Zuletzt leistete er als Professor für Kunstgeschichte und Medientheorie Aufbauarbeit an der Hochschule für Buchkunst und Grafik in Leipzig: "Dort hat man mich zuerst angesehen wie einen Extraterrestrischen." Zwischen Leipzig und Linz pendelt er in der laufenden Aufbauphase des Boltzmann-Instituts noch hin und her, ab April bleibt er dann an der Donau.

Für Daniels beginnt Medienkunst schon Anfang des 19. Jahrhunderts. Technische Medien wie die Fotografie und Telegrafie wurden teils von Künstlern entwickelt und verwendet - auch wenn sie nicht primär künstlerischen Zwecken dienen. Am Boltzmann-Institut wird darüber nachgedacht, wie und wann Kunst auch ein Wissens- und Forschungsproduzent ist. Durch einen kreativen, experimentellen Zugang wurde schon vieles entdeckt, was eigentlich nicht gesucht war. So fanden Ideen der Avantgarde Einzug in den Alltag.

Ein österreichisches Beispiel sind die Pioniere von The Thing, Silverserver oder Public Netbase, die seit Anfang der 90er bereits eine technische Netzstruktur aufbauten und die kreative Communitys im Internet gründeten, bevor die Industrie diesen Markt entdeckte. Zehn Jahre später hat der technische Fortschritt ihre Entwicklungen eingeholt - für Daniels stellt sich allerdings die Frage, ob diese Daten nicht erhaltenswert sind, wie Denkmalschutz für Gebäude oder Bücher in der Nationalbibliothek.

Vielfalt und Dominanz der Medien verändern Weltbild und Wahrnehmung, obwohl wir sie oft nur nebenbei konsumieren. Medienkunst macht diese Entwicklung sichtbar, spitzt sie zu, radikalisiert sie. An Reizüberflutung leidet der Medienforscher nicht, zumindest nicht durch seinen Beruf. Dennoch gestaltet er die Freizeit mit seiner Frau gerne "bildschirmfrei". Für seinen neuen Arbeitsplatz hat er sich ein Rennrad angeschafft - für Erholung an der Donau "flach und geradeaus". Beim leidenschaftlichen Besuch von Museen und Ausstellungen verschwimmen die Grenzen zwischen Job und Privatem. Öfters taucht hier dann doch ein Bildschirm auf - mit Medienkunst. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11. 12. 2005)