Leipzig/Wien - Wenn das keine Perspektive für Lothar Matthäus ist, der am Freitag in Leipzig einer von acht so genannten Los-Paten bei der pompösen Auslosung der WM-Endrunde 2006 fungiert. Jener Schöneberger Sängerknabe, der 1974 als elfjähriges Glücksengerl die Paarungen der ersten WM in Deutschland quasi ganz allein ausloste und dabei auf Heuler wie DDR gegen Bundesrepublik Deutschland (1:0) kam, ist heute Einkaufsleiter einer Baumarktkette und, so Detlef Lange, "ich singe nur noch unter der Dusche".

Während 1974 in einem Fernsehstudio vor 200 Zuschauern gelost wurde, sind am Freitag in der Messehalle 1 der Messe Leipzig 4000 Gäste angesagt, darunter die Teamtrainer von 31 der 32 Endrundenteilnehmer. Nur Argentiniens José Pekerman ließ sich wegen einer Verletzung an der Hand entschuldigen. Das Happening schlug mit fünf Millionen Euro zu Buche, allein das Verlegen der Telefonkabel, Stromleitungen und Internetanschlüsse im Pressezentrum kostete 150.000 Euro. Für Leipzig habe sich der Aufwand allemal gelohnt, wie Burkhard Jung als Chef der kommunalen Projektgruppe "Auslosung" versicherte. "Wir haben gezeigt, dass wir gute Gastgeber mit Herz sind. Der Werbewert dieser Auslosungswoche ist nicht zu bezahlen, da sehe ich die Millionen nur so vorbeirauschen."

Was pro Ticket bleibt

Auch Horst R. Schmidt, im WM-Organisationskomitee für die Finanzen zuständig, ließen die fünf Millionen kalt, schließlich jongliert er mit einem WM-Gesamtbudget von 430 Millionen Euro. 200 Millionen netto müssen aus dem Verkauf der insgesamt 3,2 Millionen Eintrittskarten erwirtschaftet werden. Die sechs nationalen Förderer zahlen 60 Millionen Euro, hinzu kommen 170 Millionen Euro vom Weltverband FIFA als garantierter Zuschuss. Zu den größten der 23 Ausgabeblöcke zählen die Stadionbereiche (120 Millionen Euro), das Personal-und Sachkostenbudget (100 Millionen) sowie Transport und Verkehr (80 Millionen).

Schmidt: "200 Millionen einzusammeln ist eine mühsame Arbeit. Die künftigen Ticketbesitzer auslosen, die Zuteilung der Plätze, der Druck, das rechtzeitige Verschicken." Und nichts als Ärger: Anklagen der Verbraucherschützer, Artikel über Abzockerei. Schmidt: "Da wird man in eine Defensive gedrängt durch Vorwürfe, die ungerechtfertigt sind. Wären wir Abzocker, hätten wir ganz andere Eintrittspreise aufgerufen. Wir haben keine Bürgschaft, erhalten keine Unterstützung der öffentlichen Hand. Wenn wir nach der WM einen Verlust bekannt geben müssten, würden die, die uns jetzt kritisieren, uns dann Blauäugigkeit in der Kalkulation vorwerfen."

Von einem Ticket, das 35 Euro kostet, muss das OK abführen: Mehrwertsteuer, die Fahrscheinkosten (der Fan kann kostenlos Bus oder Bahn benutzen), die Ticketgebühr für den Provider, die Vorverkaufsgebühr. Schmidt: "Von einem 35 Euro teuren Ticket bleiben uns etwas über 20 Euro." Deshalb versteht Schmidt auch die Kritik an Servicegebühren nicht, die anfallen, wenn jemand sein Ticket weiterreichen will: "Service kostet nun einmal Geld." (ag, red - DER STANDARD PRINTAUSGABE 10./11.12. 2005)