Berlin/München/Frankfurt - Die Affäre um die Verschleppung des Deutschlibanesen Khaled al-Masri durch den US-Geheimdienst CIA steht am Samstag im Zentrum zahlreicher deutscher Pressekommentare:

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Der Fall Masri ist eine Schande für die amerikanische, aber auch für die frühere deutsche Regierung. Der politische Schaden ist für beide schon jetzt beträchtlich, und er wird noch wachsen. Bislang symbolisierten die US-Gefängnisse Guantanamo und Abu Ghraib die Exzesse im Kampf gegen den Terrorismus - nun ist auch der Name Masri zur Metapher geworden für ein System, das außer Kontrolle geraten ist. Die Entführung des Deutschen durch die CIA und die anschließende Untätigkeit der Bundesregierung beweisen, wie der 11. September 2001 Verhalten und Denken im Westen verändert haben. Für bestimmte Bürger, Muslime vor allem, gelten Grundrechte und die Fürsorgepflichten des Staates nicht mehr. Die Affäre Masri zeigt die USA und Deutschland jetzt völlig entblößt."

"Frankfurter Rundschau":

"Wie schön, wenn man sich bei gefälliger Auslegung der Paragrafen hinter Recht und Gesetz verschanzen kann. Die Bundesregierung führt dieses Spiel derzeit mutwillig auf. Wenn es um den Entführungsfall Masri geht, heißt es meistens, man dürfe nichts sagen - und im Ausnahmefall dann, man wisse nichts. So reagieren Beamtenapparate. Politiker aber sollten erkennen, welchen Schaden sie durch dieses Mauern anrichten können. (...) Bislang fehlt es an einer Bundesregierung, die erkennbar alles tut, um möglichst viel Klarheit in dieser Affäre zu schaffen. Die Rede und Antwort steht, und die entschieden dem Eindruck entgegen tritt, sie könnte an Auskunft nicht interessiert sein. Es wäre ihre demokratische Pflicht. So aber kann man wohl durchaus auch von einem politischen Versagen sprechen."

"General-Anzeiger" (Bonn):

"Die Bundesregierung sagt nichts, verweist lediglich auf das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG), das die Nachrichtendienste beaufsichtigt. Dort geht es streng geheim zu. Dem Bundestag steht dennoch das Recht zu, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen. Die Rufe danach werden lauter. Aber dieses parlamentarische Gremium tagt in der Regel öffentlich. Außerdem sind die meisten Untersuchungsausschüsse wie stumpfe Schwerter. Diesmal erst recht. Wenn die Regierung das PKG über die Affäre unterrichten will, kann sie wegen der Geheimhaltung vor einem Untersuchungsausschuss wiederum nur schweigen. Man würde sich also im Kreise drehen. Bis man aus anderen Quellen schlauer wird..."

"FTD - Financial Times Deutschland":

"Der Fall des wahrscheinlich von der CIA gekidnappten Deutschen Khaled al-Masri führt in Abgründe, die für alle politischen Lager äußerst unangenehm sind. Da ist einerseits das krasse Fehlverhalten des Verbündeten USA. Und da ist andererseits das jämmerliche Bild einer rot-grünen Regierung, die nach außen stets so gern ihre moralische Überlegenheit zur Schau trug. Beschädigte Ideale tun immer weh. Bevor aber in diesem Skandal Rücktrittsforderungen erhoben werden können, müssen erst einmal viel genauere Fakten auf den Tisch."

"Freie Presse" (Chemnitz):

"Die Bürgerrechte werden 'verteidigt', indem man sie außer Kraft setzt. So spielen die selbstgefälligen Verfassungsschützer aber nur den Terroristen in die Hände. Der Entführungsfall Masri ist keine Einzelerscheinung. In Mailand wurde ein Ägypter von der CIA auf offener Straße gekidnappt und an einen geheimen Ort verschleppt. Der Flug ging, wie zahlreiche andere auch, über einen Zwischenstopp auf einem deutschen Flughafen irgendwo hin, in den früheren Ostblock oder den Nahen Osten. Wie will ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland seine Bürger vor Terroristen schützen, wenn er nicht einmal weiß, wer und was auf seinen Flughäfen so alles startet und landet?"

"Rhein-Zeitung" (Koblenz):

"Es schmerzt, dass der begründete Verdacht besteht, auch deutsche Regierungsstellen seien Mitwisser der amerikanischen Verschleppungspraxis gewesen, hätten dem rechtswidrigen Tun des 'großen Verbündeten' duldend, allenfalls kleinmütig dazwischenredend zugesehen. Das geht nicht, dafür gibt es keinen guten Grund - am allerwenigsten die Staatsräson." (APA)