Peking/Hongkong - Vier Tage nach der offenbar
blutigen Niederschlagung von Protesten in Südchina sind laut
Augenzeugen am Samstag Hunderte von Militärpolizisten im Einsatz
gewesen, um neue Ausschreitungen zu verhindern. Sicherheitskräfte
blockierten die Zufahrtsstraßen in die Ortschaft Donghzou in der
Provinz Guangdong und patrouillierten in den Straßen, teilten
Bewohner telefonisch mit. Die staatlichen Behörden, die sich bisher
nicht zu den Vorkommnissen äußern wollten, untersagten Journalisten
den Zugang.
Demonstration niedergeschlagen
In Dongzhou hatte die Militärpolizei laut Augenzeugen am Dienstag
eine Demonstration von etwa tausend Bewohnern niedergeschlagen, die
gegen den Bau des Elektrizitätswerks protestierten. Dabei sollen nach
jüngsten Berichten von Bewohnern rund 30 Menschen getötet worden
sein, als die Sicherheitskräfte in die Menge schossen. Polizisten
sollen das Feuer eröffnet haben, nachdem Demonstranten Barrieren
errichtet und sie mit Molotow-Cocktails angegriffen hatten. Die
Situation sei eskaliert, als die Militärpolizei drei Vertreter des
Dorfes festgenommen hätten, sagten Zeugen dem US-Sender Radio Free
Asia.
ai: Systematische Folter, Arbeitslager und exzessive
Anwendung der Todesstrafe
Nach einem Bericht der in Hongkong erscheinenden "South China
Morning Post" wollen die Behörden die Vorgänge in Dongzhou offenbar
vertuschen. Den Familien der Getöteten sei Geld geboten worden, damit
sie die Leichen den Behörden aushändigten, berichtete das Blatt unter
Berufung auf Bewohner. Die Menschenrechtsorganisation amnesty
international (ai) hat aus Anlass des "Internationalen Tages der
Menschenrechte" darauf hingewiesen, dass es in der Volksrepublik
China weiterhin systematische Folter, Arbeitslager und eine exzessive
Anwendung der Todesstrafe gebe.
Enteignung von Land
Die blutigen Zwischenfälle in Dongzhou waren der vorläufige
Höhepunkt der fünf Monate andauernden Proteste gegen mangelnde
Entschädigungen für die Enteignung von Land zu Gunsten örtlicher
Kraftwerksprojekte. Vor dem Hintergrund wachsender sozialer
Spannungen mit Massenentlassungen in der Staatsindustrie und einem
steilen Einkommensgefälle zwischen Küstenprovinzen und Hinterland
hatte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas im Oktober
auf einer vertraulichen Plenartagung über die wachsende Kluft
zwischen Arm und Reich, das unterschiedliche Entwicklungstempo auf
dem Land und in den Städten, die Korruption und die zunehmenden
Spannungen in der chinesischen Gesellschaft beraten. In mehreren
Provinzen ist es in den vergangenen Monaten zu Ausschreitungen und zu
Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die
enorme Zunahme der Arbeitslosigkeit als Folge der einschneidenden
Wirtschaftsreformen hat in mehreren Teilen des bevölkerungsreichsten
Landes der Welt zu Unruhen geführt. Mit dem Aufbau von
Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte will sich die chinesische
Führung gegen erwartete soziale Unruhen wappnen. (APA/AFP/AP)