Berlin - Der deutsche Bundestag erwartet von der neuen Regierung bis zur Wochenmitte Aufklärung über die ihr bekannten Machenschaften des US-Geheimdienstes CIA. Dabei geht es in erster Linie um die Verschleppung des Deutschen Khaled al-Masri in ein afghanisches Gefängnis. FDP und Linke bekräftigten am Wochenende ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Innenminister Wolfgang Schäuble betonten, deutsche Geheimdienste seien nicht in die Entführung verwickelt.

Die Ausschüsse des Bundestag für Auswärtiges, Innen und Recht haben die zuständigen Minister zum Rapport geladen. Im geheimen Parlamentarischen Kontrollgremium soll neben dem Außenminister auch der frühere Innenminister Otto Schily über seine Erkenntnisse in der Affäre al-Masri berichten. Im Vorfeld würden alle Akten geprüft, die Aufschluss über die Abläufe geben könnten, erfuhr die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" aus Regierungskreisen. Es solle geklärt werden, welches Mitglied der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder wann von welchen Vorgängen gewusst habe.

Verwechslung

Der Deutsch-Libanese al-Masri war nach eigenen Angaben Ende 2003 verschleppt und vom US-Geheimdienst CIA fünf Monate in einem Gefängnis in Afghanistan festgehalten worden. Man habe ihn mit einem Terrorverdächtigen gleichen Namens verwechselt.

Al-Masri sagte der "Süddeutschen Zeitung", er sei sich sicher, im Mai 2004 in Afghanistan mit einem Deutschen gesprochen zu haben. Er sei während seiner Gefangenschaft von ihm verhört worden. "Er war hundertprozentig ein Deutscher. Er hatte einen norddeutschen Akzent. Kein Hauch von amerikanischem Dialekt."

Steinmeier wies den Vorwurf zurück, deutsche Stellen seien an der Verschleppung beteiligt gewesen. "Das Handeln unserer Behörden ist an Recht und Gesetz gebunden", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung. Schäuble erklärte laut "Leipziger Volkszeitung", er sehe "bei Berücksichtigung aller mir vorliegenden Informationen" zum Fall al-Masri "derzeit" keinerlei Anhaltspunkt für irgendwelche Verstöße durch "Mitglieder der Bundesregierung und anderer Verantwortlicher in Deutschland".

FDP-Innenexperte Max Stadler sagte, Schäuble könne den Skandal um die Entführung eines deutschen Staatsbürgers nicht mit dem Hinweis abtun, sein Vorgänger Schily habe dem amerikanischen Botschafter Vertraulichkeit zugesagt, als dieser ihn über den Fall informiert habe. "Sollte von der Regierung am Mittwoch in den Bundestagsausschüssen nicht mehr an Einsicht und Informationen kommen, wird ein Untersuchungsausschuss immer wahrscheinlicher", meinte Stadler.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, forderte ebenfalls einen Untersuchungsausschuss. Er rechne fest mit der Unterstützung von FDP und Grünen. Sollten sie einen Ausschuss ablehnen, müssten sie sich die Frage gefallen, wen sie eigentlich decken wollten. Linke und FDP haben nur zusammen mit den Grünen die für die Einsetzung eines solchen Ausschusses erforderlichen 25 Prozent der Stimmen im Parlament.

Vizekanzler Franz Müntefering rief im Fall al-Masri zur Zurückhaltung auf. "Die Sache muss aufgeklärt werden", sagte Müntefering im Deutschlandfunk. Deshalb sei das Parlamentarische Kontrollgremium eingeschaltet worden. Nachdem dort der Fall erörtert worden sei, werde man auch wissen, wie viel davon in öffentlicher Debatte im Bundestag und in der Öffentlichkeit generell angesprochen werden müsse. Derzeit werde nur über Spekulationen diskutiert. (APA/AP)