STANDARD: Sie sind Leiter des Research Studio Instituts BioTreaT. Was bitte bedeutet BioTreaT? Insam: BioTreaT steht für Biological Treatment and Recycling Technologies, also Biologische Behandlungs- und Recyclingtechnologien. Es geht darum, Abfälle und Reststoffe mit biologischen, meist mikrobiologischen, Verfahren zu verwerten und wieder nutzbare Produkte daraus zu gewinnen. Unsere Mission ist es, neue Erkenntnisse aus der Forschung als anwendungsfähige Lösungen der Industrie oder anderen Nutzern anzubieten - und zwar ökonomisch wie ökologisch sinnvoll.

STANDARD: Ökonomisch sinnvoll ist relativ - was heißt das?

Insam: Das heißt nicht auf Teufel komm raus alles zu recyceln, was geht. Sondern es muss wirtschaftlich vertretbar bleiben. Ein Betrieb oder Bauer muss sich unsere Produkte nicht nur leisten können, er muss auch von ihnen finanziell profitieren.

STANDARD: Sie sprechen von Abfall als Produkt. Könnten Sie ein Beispiel geben?

Insam: Abfall ist jedoch nicht das Produkt, sondern der Ausgangspunkt. Die beiden am weitesten gediehenen Projekte sind die Entwicklung eines Düngemittels aus Holzasche, die bei Biomasseheiz(kraft)werken anfällt, sowie eine Kleinbiogas-Anlage zur Gewinnung von - eben Biogas. In beiden Fällen wird Abfall wieder in den Kreislauf geführt - und ist somit ein Rohstoff, wenn Sie so wollen, der weiter umgesetzt wird.

STANDARD: Aber gerade das Beispiel Energie zeigt doch, dass viele Verfahren vom Staat subventioniert werden müssen, um überhaupt von der Industrie eingesetzt zu werden.

Insam: Genau das wollen wir vermeiden. Unsere Kleinbiogas-Anlagen sind vielleicht nicht ganz so effizient, liefern anstatt 100 Prozent nur 95 Prozent des potenziellen Gasertrages. Dafür kann sie sich ein Mittelstandsbetrieb oder Bauer aber auch leisten - ohne Subventionen.

STANDARD: Bleiben wir bei der Kleinbiogas-Anlage - wie funktioniert das?

Insam: Der Prozess ist ein Kunststück der Mikroorganismen: Organische Abfälle eines Bauernhofs wie Gülle eventuell ergänzt durch häuslichen Bioabfall, werden in einem Behälter unter Ausschluss von Sauerstoff vergoren. Dabei sind verschiedene Mikroorganismen beteiligt: In der Hydrolysephase werden große Moleküle zerlegt. Aus den Spaltprodukten produzieren dann andere Bakterien verschiedene organische Säuren. Diese werden dann von der sensibelsten Gruppe, den methanbildenden Bakterien, zu etwa einem Drittel Kohlendioxid und zwei Dritteln Methan, daneben noch einige Spurengase, wie zum Beispiel Schwefelwasserstoff, verarbeitet.

STANDARD: Und wie wird das Gas dann weiter umgesetzt?

Insam: Nach entsprechender Reinigung des Gases - Schwefelwasserstoff greift Leitungen und Motoren an - wird in einem so genannten Magergasmotor das Methangas verbrannt. Der Motor treibt einen Generator, und aus der chemischen Energie des Biogases wird dadurch ca. ein Drittel Strom sowie ein Drittel Abwärme erzeugt. Ein Hof mit rund 100 Kühen könnte etwa 75 Kilowatt Leistung erbringen, davon 25 KW elektrische Energie. Ein Teil wird für den Betrieb benötigt, der Rest kann ins Netz eingespeist werden.

STANDARD: Aber die Wärme, die entsteht, geht verloren?

Insam: Das muss nicht sein, wenn ein Abnehmer für diese Wärme in der Nähe ist. Unsere Vision ist es, auch mit der regionalen Tourismus- und Freizeitbranche zusammenzuarbeiten und vielleicht Bio-thermalbäder oder Hotels mit dieser Wärme zu beheizen. Theoretisch könnte man mithilfe dieser Energie kühlen.

STANDARD: Das Studio BioTreaT steht für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Was verstehen Sie darunter?

Insam: Kooperationen spielen eine große Rolle. Zuerst geht es uns darum, die Ingenieurwissenschaften, Umwelttechnik und Mikrobiologie zu vernetzen und das Know-how der Umwelttechnikbranche verfügbar zu machen. Peter Bruck, der Leiter der Research Studios Austria in Salzburg, möchte das erfolgreiche Konzept aus dem IT-Bereich auch in den Umwelttechnologiebereich umgesetzt wissen. Hilfreich ist dabei die enge fachliche Anbindung an den Bereich Biogenetics und Natural Resources der Muttergesellschaft, ARC Seibersdorf. Gerade im Biogasbereich ist die Akzeptanz für unsere Arbeit auch bei den Landwirtschaftskammern sehr groß.

STANDARD: Was hat Sie persönlich getrieben, den Job als Leiter bei BioTreaT anzunehmen?

Insam: Die Chance, über eine Grundfinanzierung eine wettbewerbsfähige Mannschaft zusammenzustellen. Zudem möchte ich nicht nur Verfechter für die Nutzung bestehender Ressourcen sein, sondern dazu beitragen, Kreisläufe schließen zu helfen.

STANDARD: Sind Sie ein Öko? Insam: Öko? Dieser Ausdruck ist zu eng gefasst. Ökologisches Denken ist im Gesamtkontext mit sozialer Verantwortung und wirtschaftlichem Handeln zu sehen. In seinem jüngsten Buch "A Short History of Progress" stellt Ronald Wright dar, dass alle Gesellschaften, die nicht nachhaltig gelebt und gewirtschaftet haben, sehr früh untergegangen sind. Unsere Gesellschaften werden immer größer und komplexer. Und wenn wir die Fehler unserer Vorfahren wiederholen, werden wir einen höheren Preis dafür bezahlen müssen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 12. 2005)