Noch jede Regierung setzte in Jubiläumszeiten ihre Akzente; das ist nicht immer historisch korrekt, aber politisch legitim. Kanzler Wolfgang Schüssels von oben verordnete Jubelprogrammatik war von Anfang an von einer Wiederentdeckung der eigenen Opfergeschichte und einer latenten Schlussstrich-Stimmung dominiert. So lag der Feierschwerpunkt deutlich auf dem Staatsvertragsjahr 1955 - die Befreiung von der Naziherrschaft durch die Alliierten 1945 war vergleichsweise nachrangig. Nicht die Beschäftigung mit Österreichs Nazivergangenheit, sondern die Aussöhnung für die Zukunft sollte den Grundton des Gedankenjahrs bilden. Die öffentliche Fokussierung auf die Opfererfahrung der Nachkriegsgeneration - auf das Peinlichste verwirklicht durch jene "25 Peaces"-Installationen, die mit Erdäpfelfeldern und Einmauerungen auf dem Heldenplatz das Jahr 1945 wiederauferstehen lassen wollten - sollte das passende Unterfutter liefern. Unfreiwillig, aber nicht unschuldig wurden letztendlich Bundesrat Siegfried Kampl und sein Diktum von der "Naziverfolgung" und den "Kameradenmördern" zum Symbol für all jene nach wie vor vorhandenen Brüche in Österreichs Gesellschaft, die die von Schüssel mitinitiierte "25 Peaces"- Aktion vergeblich versucht hatte, aktionistisch aufzulösen. Das ist auch das Bemerkenswerteste am Jubeljahr 2005: Während sich in Deutschland die öffentliche Debatte längst um die Frage drehte, wie sich die Schrecken des Holocaust der nächsten Generation vermittelt lassen, blieb Österreich einmal mehr in der (altbekannten) Diskussion über die Betroffenheit seiner Kriegsgeneration und den Zeitpunkt der "wirklichen Befreiung" stecken. Wer immer ab 2006 regiert, sollte sich heute schon Gedanken über das Jubiläumsjahr 2010 machen. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2005)