München - Unmittelbar vor der Veröffentlichung des UNO-Untersuchungsberichts zum Terrormord am früheren libanesischen Premier Rafik Hariri ist in Beirut der prominente Journalist und Parlamentarier Gebrane Tueni einem Bombenattentat zum Opfer gefallen, ein Parteigänger Hariris und scharfer Kritiker syrischer Hegemonialbestrebungen. Damit befassen sich am Dienstag zahlreiche europäische Blätter:Süddeutsche Zeitung

"Die alte Frage, wem eine Sache dient und wer einen Vorteil davon haben könnte, führt in diesem Fall nicht weiter. Fast schon wie selbstverständlich fällt der Verdacht auf Syrien. Das halb diktatorische Regime von Präsident Bashar Assad wurde im Februar schon des Mordes an Hariri bezichtigt; bei der neuen Bluttat deuten ebenfalls viele Zeichen in Richtung Damaskus. Nur: Dienlich ist der Mord dem syrischen Regime nicht. Gerade hat UN-Sonderermittler Detlev Mehlis seinen über Monate recherchierten Bericht zum Hariri-Mord abgegeben; jetzt soll der Sicherheitsrat darüber diskutieren. (...) Der Nahe Osten ist schon immer Knotenpunkt internationaler politischer Interessen gewesen und Austragungsort der damit verbundenen Kabalen. Das ist im Fall des Libanon nicht anders. Ausschließen kann man also überhaupt nichts. Auch nicht, dass das jüngste Attentat nicht von syrischer Seite verantwortet wird, sondern von den Handlangern anderer Interessen. Syrien ist zwar an einer Destabilisierung des Libanon weiter interessiert. Es gibt aber auch manch andere, die sähen das bereits geschwächte Regime in Damaskus gerne noch stärker belastet."

Der Tagesspiegel, Berlin

"Das Signal ist brutal genug, um sofort verstanden zu werden. Der populäre Milliardär Rafik Hariri wollte den Libanon aus der syrischen Bevormundung lösen. Sein Tod passte zur brutalen Machtlogik des Assad-Regimes. Und man könnte einen weiteren Verdacht formulieren: Versuchen Syrien und libanesische Sympathisanten eine Doppelstrategie - Belastungszeugen manipulieren und parallel Anschläge steuern -, um dem Libanon auch nach dem Abzug der syrischen Armee das besondere 'Interesse' des großen Nachbarn zu demonstrieren? Ein riskantes Manöver. Die Attentate auf syrienkritische Libanesen bestärken vermutlich die Amerikaner in ihrer Ansicht, den Druck auf Assad noch zu erhöhen. Und es ist zu erwarten, dass die Regierung Bush den Bericht von Mehlis auch in diese Richtung interpretiert. Doch weder der deutsche UN-Ermittler noch der US-Präsident können verhindern, dass es im Libanon weiter knallt."

Handelsblatt, Düsseldorf

"Der mit dem Hariri-Fall beauftragte Berliner Oberstaatsanwalt hatte schon im ersten Bericht den Verdacht formuliert, die Drahtzieher des Mordes an dem Ex-Premier seien in Damaskus zu suchen. Dass er dies nun relativieren wird, darf ihm nicht unterstellt werden. Das zeigen schon seine bisherigen akribischen Recherchen, deren Ergebnisse er ohne zu zögern auf den Tisch legte. In Damaskus kann es also nur um die Einschüchterung von Zeugen gehen. Denn solche will Mehlis auch künftig befragen - in Wien, vor allem aber in Syrien. In einigen Fällen mag das Operieren mit der Angst wohl glücken. Doch diese Taktik darf nicht aufgehen. Jeder neue Blutzoll muss Damaskus weiter in die Enge treiben."

Tages-Anzeiger, Zürich

"Fast schon wie selbstverständlich fällt der Verdacht also auf Syrien. Nur: Dienlich ist der Mord dem syrischen Regime nicht. Gerade hat Sonderermittler Mehlis seinen Bericht zum Hariri- Mord beim UNO-Generalsekretär abgegeben; jetzt soll der Sicherheitsrat darüber diskutieren.(...) Nur hilft es nicht weiter, wenn Syrien das alte 'Wem dient es?' in diesem Sinne einfach umdreht und erklärt, der neue Mord sei begangen worden, um Syrien vor der UNO-Debatte um den Mehlis-Bericht tiefer in die Ecke zu drängen. Das reicht für eine Entlastung nicht aus. Im Gegenteil, es bestätigt etwas anderes: Geklärt werden kann der Fall Hariri nur durch eine unabhängige Untersuchung."

"Basler Zeitung":

"Die Frage ist nur, wer sonst Interesse an der Destabilisierung des Libanon haben könnte. Israel etwa, das die Morde den Syrern zuschieben würde? Nichts deutet auf eine solche Variante hin. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass einige syrische Politiker und vor allem Geheimdienstleute noch immer in der Vergangenheit leben und denken, sie könnten nach überholtem Bürgerkriegsmuster Politik machen. Syrien hat sich selbst schon lange in die Isolation manövriert. Doch das Regime Assad, eingekeilt zwischen den US-freundlichen Regierungen in Jerusalem, Ankara, Amman und Bagdad, folgt trotzig seinem antiquierten Kurs und glaubt, sich retten zu können. Aber mit Mordanschlägen in Beirut nähert es sich nur dem politischen Abgrund." (APA/dpa)