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Julius Kambarage Nyerere, Staatsgründer und langjähriger Präsident von Tansania, starb am 14. Oktober 1999 im Alter von 77 Jahren in London (links im Bild mit dem ehmaligen Präsidenten Zambias, Kenneth Kaunda).

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Mwalimu - der Lehrer Nyerere (links) gemeinsam mit dem Südafrikanischen Freiheitskämpfer Walter Sisulu und dessen Frau Albertina in Dodoma, 1990.

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Tausende Menschen erwiesen Julius Nyerere im Sportstadium von Dar es Salaam ihre letzte Ehre.

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Bis Mitte der 80er Jahre verfolgte Tansania einen Kurs der sozioökonomischen und politischen Selbstständigkeit, dessen theoretischen Grundstein 1967 in der "Deklaration von Arusha" gesetzt wurde. Darin verkündete der damalige Staatspräsident Julius Nyerere eine Politik der Besinnung auf die eigenen Kräfte des Landes. Tansania sollte vom Geld aus dem Ausland unabhängig werden, die Landwirtschaft, kommunale Wirtschaftsformen, soziale Gleichheit und Gerechtigkeit fördern. Ausländische Firmen sollten verstaatlicht und soziale Grunddienste ausgebaut werden.

 

Der Grundgedanke dazu gründete auf dem Prinzip der "Self-Reliance": Versorgung der Bevölkerung aus dem eigenem Land mit dem, was sie für ihre Grundbedürfnisse brauchen. Daraus folgte eine Konzentration auf die ländliche Entwicklung anstatt auf den Aufbau einer ohnehin kaum vorhandenen Schwerindustrie. Schwerpunkte bildeten Basisgesundheitsdienst und Trinkwasserversorgung. Auch die Schulbildung spielte dabei eine große Rolle - mit ihr sollte verstärkt auf die Bedürfnisse der Gesellschaft eingegangen werden.

"Ujamaa"

Während "Self-Reliance" international zu einem weit verbreiteten Schlagwort im entwicklungspolitischen Diskurs wurde, blieb die Diskussion um "Ujamaa" außerhalb Tansanias vergleichsweise gering. Der Begriff "Ujamaa" beschreibt den Zusammenhalt, den Nyerere als am deutlichsten in der afrikanischen Gesellschaft gegeben und als Grundlage und Ziel des afrikanischen Sozialismus sah. In den traditionellen afrikanischen Gesellschaften gab es Nyerere zufolge eine Absicherung von allen. Gerechte Verteilung war auf keinen Stamm beschränkt, sondern galt für jede/n Afrikaner/in. Voraussetzung dafür: Jede/r müsse nach seinen/ihren Kräften arbeiten. Zur Verwirklichung dieses Ziels ließ er Ujamaa-Dörfer bauen, in die die Bevölerung umgesiedelt werden sollte. Entgegen den Vorstellungen Nyereres erfolgten diese jedoch meist keineswegs freiwillig. Auch die Idee von gemeinschaftlicher Produktion ging nicht nach Plan vonstatten. Es kam zum Rückgang der agrarischen Produktion, abnehmende Exporterlöse und Nahrungsmittelknappheit folgten.

Selbstverteidigung

Weitreichende Auswirkungen hatte auch sein Engagement gegen den ugandesischen Diktator Idi Amin. Als 1979 dessen Armee einen Teil im Nordwesten Tansanias besetzte, kam es zum Einsatz des tansansischen Heeres, das Amins Soldaten bis zur Hauptstadt Uganda zurückdrängte und zum Sturz des Diktators beitrug. Nyerere wurde für seine Politik der Intervention zur Abwehr von Menschenrechtsverletzungen heftig kritisiert: Wegen des Verstoßes gegen die in der OAU-Charta vorgeschriebene territoriale Integrität eines Landes. Auf der anderen Seite machte Tansania das in der UN-Charta abgedeckte Recht auf Selbstverteidigung geltend.

Verschuldung

Die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Umsiedlungskampagne wurden Ende der der 70er, Anfang der 80er Jahre durch rückläufige Preise für Agrarexporte, erhöhte Preise für Erdöl sowie den Kosten der Intervention in Uganda verschärft. Hinzu kam die zunehmende Verschuldung seiners Landes. 1985 stellte er sich nicht mehr für die Wahl zum Staatspräsidenten zur Verfügung, sein Nachfolger Ali Hassan Mwinyi leitet eine rasant Abkehr vom "Afrikanischen Sozialismus" ein.

Nach seinem Rücktritt widmete sich Nyerere den Nord-Süd-Beziehungen. 1987 wurde er mit dem Vorsitz der Süd-Kommission betraut. Die zentrale Idee der eigenständigen Entwicklung blieb eines der Grundprinzipien des Ex-Präsidenten. Bis wenige Monate vor seinem Tod setzte er sich für die Interessen der Dritten Welt ein, unter anderem als Befürworter des Schuldenerlasses für die ärmsten Länder. Nyerere galt zudem als wichtiger Vordenker der Blockfreienbewegung und ihrem Prinzip der grundsätzlichen Distanz zu den damaligen Machtblöcken in Ost und West. (hag)