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Diese beiden Exilirakerinnen stimmten bereits am Mittwoch in Teheran ab. Die Tinte auf dem Finger soll mehrmaliges Abstimmen verhindern.

Foto: Reuters/ Nikoubazi
An den Parlamentswahlen im Irak wollen die arabischen Sunniten nach ihrem Boykott der provisorischen Wahlen im Jänner in großer Zahl teilnehmen. Auf bewaffneten Widerstand verzichten sie deshalb nicht.

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Scheich Abdullah Sami al-Assi ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Er trägt eine elegante dunkelblaue Dishdasha, das bodenlang Hemdkleid, einen passenden Umhang mit goldener Einfassung und die traditionelle Kopfbedeckung. Seine Worte sind gewählt, manchmal fast staatsmännisch. Scheich Assi gehört zur Führung des Stammes der Obeid, einem der großen Stämme im Zweistromland, der über das ganze Land verteilt mehr als eine Million Iraker zählt. Seine Wiege hat der Stamm in Hawija, einer fruchtbaren Landwirtschaftregion westlich von Kirkuk zwischen dem Tigris und dem kleinen Zab. Seit dem Fall des Regimes ist Hawija eine Hochburg des lokalen Widerstandes.

Teilnahme freigestellt

Der mächtige Scheich ist auch Abgeordneter im Lokalparlament von Kirkuk und in seinem Büro hängt das Wahlplakat der Liste Nummer 793 mit dem Namen "Arabische Vereinigung und Rat der Scheichs", in der sich die sunnitischen Araber dieses Regierungsbezirks zusammengeschlossen haben. Sie genießen auch den Segen der einflussreichen Vereinigung der muslimischen Gelehrten, die selbst nicht an den Wahlen teilnimmt, weil diese nach den Aussagen ihres Sprechers Scheich Abdel Salam al-Kubaysi immer noch unter dem Schatten der Besetzung stehen. Die Gelehrten stellen den Gläubigen die Teilnahme an den Wahlen aber frei.

"Es war ein Fehler, dass die Sunniten die Wahlen im Jänner boykottiert haben. Wir haben uns selbst von allen Entscheiden ausgeschlossen und das Land entwickelt sich in eine falsche Richtung. Es regieren Leute, die alle im Ausland waren. Deshalb ist der Irak noch nicht unabhängig. Das wollen wir jetzt korrigieren. Wir kämpfen für die Rechte der Araber", sagt Assi. Ziel sei ein einheitlicher Rechtsstaat für alle Iraker. Um dies zu erreichen, müssten als erstes die Amerikaner abziehen, erst dann sei eine politische Entwicklung ohne Gewalt möglich.

Dass der Wahlboykott im Jänner ein Desaster war, davon ist heute die Mehrheit der sunnitischen Araber überzeugt. Diesmal wollen sie deshalb in großer Zahl zur Wahl gehen. Die Volksgruppe, die 35 Jahre alle Hebel der Macht in ihren Händen hatte, ist aber stark zersplittert.

Dennoch haben die verschiedenen sunnitischen Gruppierungen die gleichen Ziele. Sie wollen, dass die US-Truppen abziehen und machen sich für Verfassungsänderungen stark. Sie sind gegen einen föderalen Staatsaufbau und plädieren für einen starken Zentralstaat und eine nationale Armee, in der es keinen Platz für die Milizen der Schiiten und der Kurden gibt. Die Entlassung aller Häftlinge und ein Ende der Säuberung von alten Mitgliedern der Baath-Partei zählen zu ihren weiteren Anliegen.

Bei einer hohen Wahlbeteiligung würde sich der Anteil der sunnitischen Abgeordneten im Parlament von heute 17 auf rund 50 verdreifachen. "Wenn die Sunniten eingebunden werden, könnte das dem Irak Stabilität bringen. Werden sie aber bei diesen Wahlen enttäuscht, wird sich die Situation weiter verschlimmern", deutet Rakan Sayd, Vertreter der Jubours, eines anderen großen Stammes in Hawija, die Stimmung unter den Seinen an. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.12.2003)