London - Die Kulturgeschichte Großbritanniens ist 200.000 Jahre älter, als bisher angenommen wurde. Neue Funde von Werkzeugen aus Feuerstein belegen, dass schon vor 700.000 Jahren Urmenschen auf der heutigen Insel lebten. Die frühesten bisher bekannten Spuren menschlichen Lebens nördlich der Alpen sind 500.000 Jahre alt.

An der ostenglischen Nordseeküste wurden 32 von Menschen bearbeitete Feuersteine gefunden, die 680.000 bis 750.000 Jahre alt sind. Forschern aus Großbritannien, Kanada und Italien stellen die Funde heute in "Nature" vor.

Die Werkzeuge aus Feuerstein, auch ein paar fossile Knochen, die bei Happisburgh in Norfolk gefunden wurden, belegen, dass der Homo erectus spätestens vor 700.000 Jahren in Großbritannien lebte. Zu dieser Zeit bestand eine Landbrücke zum europäischen Festland. Der Ärmelkanal war damals ein breiter Fluss, aus seinen Nebenflüssen sollten sich später die Themse und die Seine bilden.

Die Frühmenschen fanden auf der damals Europa vorgelagerten Halbinsel ein völlig anderes Klima vor als heute. Fossile Überreste von Pflanzen und Käfern deuten auf warme Sommer und ähnlich milde Winter wie heute im Mittelmeerraum hin, auf reichhaltige Wald-, Sumpf-und Graslandschaften mit Mammuts, Nashörnern, Bisons und Riesenhirsche.

Vor 500.000 Jahren wanderte schließlich der Homo heidelbergensis ein, vor 180.000 Jahren begann die Halbinsel, Insel zu werden. Die Funde einer Gruppe von Frühmenschen, die zeitgleich mit den Neandertalern vor etwa 60.000 Jahren die Insel besiedelt haben und auch in ihrer Kultur sehr den Neandertalern ähneln, sind umstritten. Es ist nicht klar, ob es sich dabei um eingewanderte Neandertaler handelt. Wahrscheinlich ist diese Kultur aber nicht durch eingewanderte Frühmenschen mitgebracht worden, sondern hat sich selbständig entwickelt. Vor 30.000 Jahren übernahm der Homo sapiens. (fei/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 12. 2005)