Die britische Ratspräsidentschaft hat zum Auftakt des EU- Gipfels einen weiteren Budgetentwurf vorgelegt, dessen Vorgeschichte und Struktur das ganze Elend des politischen Zauderns und Knauserns unter den Staats- und Regierungschefs abbildet: Europa wird von Krämerseelen gelenkt.

"Haltet den Dieb!", lautet dennoch die Parole unter den Euro-Chefitäten - und (fast) alle schimpfen über den EU- und agrarfeindlichen britischen Regierungschef Tony Blair. Der ist wenig integrationsfreundlich. Das war er nie. Aber den schwarzen Peter sollte man fairerweise nicht dem Briten allein zuschieben. Die Substanz- und Inhaltskrise wurde von vielen angerührt.

Waren es nicht Tony Blair, Wolfgang Schüssel, Gerhard Schröder und Co, die vor zwei Jahren ultimativ verlangten, dass das EU-Budget keinesfalls über ein Prozent des gemeinsamen Bruttoinlandsproduktes ansteigen darf? Bingo. Der Vorschlag ist ein Deal unter Pokerspielern, der Budgetdurchschnitt bis 2013 läge bei 1,03 Prozent. Die EU-Kommission kämpfte für mehr Europa - für 1,24 Prozent.

Da und dort will Blair leicht nachbessern. Ein paar kleinere Länder wie zum Beispiel Österreich, Finnland oder Portugal kriegen "Zuckerln", damit sie ihren Widerstand aufgeben. Andere wie die Niederlande sollen nach Rechentricks etwas weniger zahlen dürfen. Aber strukturell herrscht Stillstand, nicht wegen Blair, sondern wegen der Sünden der Vergangenheit.

Etwa weil Jacques Chirac im Jahr 2002 bei einem einsamen Deal mit Gerhard Schröder die Agrar-Subventionspolitik bis ins Jahr 2013 einbetoniert hat. Das Problem Europas ist nicht der Nationalismus. Es ist der Egoismus. Budgets sind in Zahlen gegossene Politik.

Für neue Politik, neue Aufgaben bleibt fast nichts. Das wird sich leider so schnell nicht ändern, denn Staatsmänner mit Generosität und Visionen à la Helmut Kohl, Jacques Delors oder François Mitterrand, die gibt es derzeit nicht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.12.2005)