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Foto: APA/EPA/Olivier Hoslet
STANDARD : Andere EU-Kommissare kritisierten Ihre neue TV-Richtlinie als zu liberal. Haben Sie Verständnis dafür?

Reding: Es gab natürlich Diskussionen, wie es sich bei einer solch wichtigen medienpolitischen Entscheidung gehört. Für die einen ging mein Vorschlag zu weit, für die anderen nicht weit genug. Deshalb war es relativ einfach: Mein Vorschlag lag in der Mitte und daher ist die Vorlage, so wie ich sie eingebracht habe, auch von der Kommission beschlossen worden.

STANDARD: Es gab Diskussionen darüber, die zeitlichen Werbebeschränkungen zu streichen, jetzt ist es bei der Obergrenze von zwölf Minuten pro Stunde geblieben. Warum?

Reding: Eine Lockerung der Werbebeschränkung ist von einer großen Mehrheit der Beteiligten nicht befürwortet worden. Ich selbst bin entschieden dagegen, dass wir US-amerikanische Zustände im europäischen Fernsehen einführen. Es ist sowohl im Interesse der Konsumenten als auch des europäischen Fernsehmodells, wenn nicht alle zwei Minuten das Programm durch Werbung unterbrochen wird.

STANDARD: Vonseiten der Verleger gab es Forderungen, dass die Regelungen nicht auf Onlinedienste ausgedehnt werden. Sie gelten aber nun für fernsehähnliche Dienste.

Reding: Die Onlinedienste der Verleger sind nicht betroffen, das habe ich ausdrücklich in der neuen Richtlinie klargestellt. Die neue Richtlinie ist technologieneutral und befasst sich daher nur mit audiovisuellen Inhalten, nicht mit den Infrastrukturen, die diese transportieren. Die Online-Version des STANDARD unterliegt also nicht der neuen Richtlinie. Anders wäre es, wenn DER STANDARD im Internet einen Fernsehdienst anbieten würde.

STANDARD: Die EU-weit einzigartige Regelung in Österreich für Product Placement war Vorbild für den nunmehrigen EU-Rahmen. Waren Sie mit den österreichischen Behörden und dem ORF im Kontakt, um zu erfahren, wie das funktioniert?

"Mein wichtigstes Ziel ist, dass der Zuschauer nicht angeschmiert wird"

Reding: Bei Product Placement herrscht heute praktisch Anarchie in Europa. Alle EU-Staaten haben nichts gegen Product Placement in amerikanischen Filmen auf unseren Fernsehbildschirmen, aber viele sind nach wir vor überrascht, wenn so etwas in europäischen Produktionen, etwa einem "Tatort", eingesetzt wird. Ich will hier für Ordnung sorgen und habe mich dabei von der vernünftigen österreichischen Lösung inspirieren lassen. Mein wichtigstes Ziel ist, dass der Zuschauer nicht angeschmiert wird. Es gibt dank der neuen EU-Richtlinie in Zukunft Transparenz. Bei sensiblen Inhalten wie Kinderprogramm oder Nachrichten ist Product Placement völlig ausgeschlossen. Aus meiner Sicht wird dieser Ansatz dafür sorgen, dass der europäische Film gestärkt wird, für den Product Placement eine wichtige Finanzierungsquelle sein kann.

STANDARD: Haben Sie sich nun in Österreich bei Behörden oder beim ORF über Erfahrungen gekümmert?

Reding: Ich habe mehrmals mit österreichischen Regierungsvertretern und Unternehmen gesprochen, und mich natürlich eingehend mit Frau Lindner über die österreichischen Erfahrungen ausgetauscht. Das war für mich zugleich eine gute Vorbereitung auf die österreichische EU-Ratspräsidentschaft.

STANDARD: Sie überlassen es nationalen Regulierungsbehörden, wie der Zuschauer darüber informiert wird, dass in einem Film Product Placement vorkommt. Das ist bisher auch in Österreich nicht der Fall. Wie soll das funktionieren?

Reding: Eine EU-Richtlinie regelt nur den Rahmen, nicht die Details. Diese bleiben den Nationalstaaten überlassen, die für die ihrer Jurisdiktion unterliegenden Veranstalter strengere Maßnahmen ergreifen können. Die Kontrolle von Werberegelungen im Einzelfall muss von unabhängigen audiovisuellen Regulierungsbehörden gewährleistet werden, die es in Österreich, im Unterschied zu einigen anderen Staaten, schon gibt.

STANDARD: Verleger haben eine Beschwerde bei der EU wegen des ORF-Online-Angebots eingereicht, mit der Begründung, dass dafür Gebührengelder verwendet werden. Ist dies rechtens?

Reding: Bitte verstehen Sie, dass ich mich zu einem laufenden Verfahren nicht im Detail äußern möchte. Die Grundsätze sind allerdings vom damaligen Wettbewerbskommissar Monti und mir bereits in einer Kommissionsmitteilung 2001 festgestellt worden. Danach kann man sehr wohl als öffentlich-rechtliche Anstalt Onlineangebote offerieren, falls dies eine Verlängerung des vom öffentlich-rechtlichen Auftrag erfassten Programms darstellen. In dem Sinne ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender auch online geht. Hier ist natürlich das besondere Wettbewerbsumfeld im Internet, an dem auch die Verleger aktiv teilnehmen, zu berücksichtigen. Die Kommission wird über den österreichischen Fall voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2006 eine Entscheidung fällen. (DER STANDRD, Printausgabe, 16.12.2005)

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Wissen: Gelockerte Werberegeln

Die EU-Kommission hat diese Woche beschlossen, die Werberegeln im Fernsehen zu lockern und zugleich TV-Sender anderen audiovisuellen Medien gleichzustellen. Wegfallen soll die Vorschrift, dass zwischen einzelnen Werbeblöcken mindestens 20 Minuten Programm angeboten werden müssen. Unter anderem werden damit künftig auch einzelne "Mini-Spots" erlaubt. Bei Spielfilmen soll es die Unterbrechungen künftig alle 35 Minuten geben können und nicht mehr wie bisher nach 45 Minuten. Bleiben soll es jedoch bei der Gesamtdauer von zwölf Minuten Werbung pro Sendestunde.

Nur Product Placement in Nachrichten, Sendungen zum aktuellen Zeitgeschehen und Kinderprogrammen bleibt verboten. In den übrigen Programmsparten werden solche Platzierungen laut Entwurf erlaubt - sowohl im herkömmlichen Fernsehen als auch in Programmen auf Abruf. Bedingung: Hinweise auf das Placement zu Beginn der Sendung. Sie sollen Schleichwerbung verhindern. (afs/DER STANDRD, Printausgabe, 16.12.2005)