Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Bruno
Man sagt Gianpiero Fiorani, dem 47-jährigen Ex-Chef der Banca Popolare Italiana, viel nach: Anrüchige Geschenke, faule Kredite, Bereicherung an Verstorbenen und die Veruntreuung von Kundengeldern zählen zu den Beschuldigungen. Dass er aber, kaum zwei Tage im Gefängnis, auch einstige Freunde verraten haben soll, hat eigentlich niemand erwartet. Angeblich hat Fiorani kurz nach seiner Inhaftierung sofort seine früheren Mitarbeiter, aber auch Freunde wie Zentralbankchef Antonio Fazio angeschwärzt. Inzwischen wird nicht nur gegen Fazio, sondern auch gegen den Präsidenten des Versicherers Unipol, Giovanni Consorte, ermittelt.

Im Kaschmirpulli und mit Krawatte teilt Fiorani eine Zelle mit einem süditalienischen Kleinverbrecher und versucht, wie gewohnt, sich der neuen Situation anzupassen. "Ich brauche keine Bücher und Zeitungen. Ich muss mich neu ordnen und nachdenken," sagte er vor der Untersuchungsrichterin Clementina Forleo. Zum Nachdenken hat der einstige Gerichtsreporter, gelernte Buchhalter und fürsorgliche Familienvater nun genügend Zeit. Dienstagnacht ist er, nach einem Abschiedsessen mit Freunden und Verwandten, im Gefängnis eingezogen.

Fiorani gelang es in den letzten Jahren, sich vom einfachen Buchhalter zum Chef der Volksbank von Lodi, der späteren BPI, emporzuarbeiten. Sein Geheimnis waren nicht so sehr Bankkenntnisse als die Fähigkeit, sich zur richtigen Zeit wichtige Freunde zu schaffen. Zu diesen zählte seit Langem auch Zentralbankchef Antonio Fazio. Auf diesen hatte der redegewandte Fiorani gleich Eindruck gemacht – vermutlich weil er seinen Katholizismus genau so offen zur Schau stellte wie der fromme Governatore.

Der mächtige Zentralbankchef und der kleine, ehrgeizige Geschäftsbanker bildeten zwar ein ungleiches Paar, sie waren aber seit mehreren Jahren unzertrennlich. Sie verbrachten ihre Urlaube gemeinsam, tauschten wertvolle Geschenke aus und waren einander angeblich auch durch "enge Familienfreundschaften" verbunden. Wie schön, dass sich heuer auch geschäftliche Interessen kreuzten: Fiorani wollte die Banca Antonveneta übernehmen, und Fazio half ihm dabei.

Mit unglaublichem Talent baute Fiorani in den letzten Jahren ein Sicherheitsnetz von Geschäftspartnern auf, die bei seinen Machenschaften mitgewirkt und profitiert haben sollen. Die Geschäfte wurden mitunter makaber gegenfinanziert: Meldeten sich Angehörige verstorbener Kontenbesitzer nicht zur richtigen Zeit, war das Vermögen verschwunden. Die Fantasie Fioranis, neue Tricks zu erfinden, war schier grenzenlos. Um seine Zukunft fürchtet er auch jetzt nicht. Er glaubt an Vorsehung. Und hat weiterhin tiefes Vertrauen in Gott. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.12.2005)