Schüssels Begründung, dass Österreich aufgrund der EU-Erweiterung auch mehr in die Brüsseler Kassen zahlen muss, ist für jeden nachvollziehbar, der die politischen Umwälzungen in Europa und die wirtschaftliche Lage in Österreich in den vergangenen Jahren verfolgt hat. Denn wie viel nach Brüssel überwiesen werden muss, hängt entscheidend vom Wirtschaftswachstum eines Landes ab. So wird sich auch heuer der EU-Nettobeitrag Österreichs im Vergleich zu den beiden Jahren davor fast verdoppeln. Das spiegelt wider, dass sich Österreich im EU- Vergleich gut entwickelt.
Wirtschaft
Schüssels Ehrlichkeit
Mehr Realismus zwischen Wien und Brüssel - ein gutes Zeichen für die beginnende EU-Präsidentschaft - Von Alexandra Föderl-Schmid
Die österreichische Bevölkerung wurde schon vor Beginn des EU-Gipfels gewarnt: "Wir werden mehr zahlen müssen", sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, bevor er sich zum Feilschen über die EU-Finanzen für die nächsten sieben Jahre nach Brüssel begab. Damit war von vornherein klar, dass sich Österreich diesmal nicht zu Hause als einer der großen Gewinner nach dem großen Hauen und Stechen auf EU-Ebene präsentieren würde.
Einer der Gründe dafür ist die Erweiterung der Union im Mai 2004, von der Österreich aufgrund seiner wirtschaftlichen Verflechtungen mit der Region besonders profitiert. Österreich ist auch das einzige Mitgliedsland, das gleich vier neue EU-Nachbarn bekommen hat. Dass die Finanzierung einer EU, die nicht mehr aus 15, sondern bald aus 27 Staaten besteht, mehr kostet, ist logisch. Aber nicht jeder alte EU-Mitgliedsstaat, der sich für die Erweiterung einsetzt, will dann auch seinen fairen Anteil zeigen, wie das britische Beispiel erweist. Schüssels neue Ehrlichkeit hebt sich auch von der bisher zumeist vertretenen Argumentation ab, dass die EU nur etwas bringen, aber nichts kosten solle. Wenn mehr Realismus in die schwierigen Beziehungen zwischen Wien und Brüssel einkehrt, so ist das ein gutes Zeichen für die beginnende EU-Präsidentschaft. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.12.2005)