Wien – Dass gestohlener Schmuck nach einem Einbruch wieder auftaucht, ist ein seltener Glücksfall. Entsprechend groß war also die Freude von Helene B. aus Wien- Hernals, als sie einen Teil ihres Eigentums, Halsketten, Anhänger und Ringe, wiederfand – im Dorotheum. Was aber noch lange nicht hieß, dass die Wienerin ihre Schätze wieder nach Haus mitnehmen konnte. Das Auktionshaus bestand auf Bezahlung der – dem Einbrecher gewährten – Pfandleihe.

520 Euro

Der Einbrecher, inzwischen verhaftet, geständig und verurteilt, hatte aber erstens andere Sorgen und zweitens kein Geld. Also blieb die Forderung nach 520 Euro, die als Kredit für den Schmuck gewährt worden waren, bei der Bestohlenen hängen. Und die fragte sich: „Wie komme ich dazu? Und warum konnte das Dorotheum überhaupt Diebsgut annehmen?“

120 Jahre altes Gesetz

Die Rechtsanwältin Monika Morscher- Spieszberger aus Vöcklabruck fand folgende Antwort heraus: Nur wenn schon bei der Übergabe der Pfandsache bekannt ist, dass diese nicht dem Kunden gehört, muss der Pfandleiher ablehnen. So steht es schwarz auf vergilbtem Weiß in der „Lex Specialis“ eines Reichsgesetzblattes aus dem Jahr 1885, das alle Novellierungen des Gewerberechts überlebt hat. Und damit auch im Widerspruch zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch steht, „in dem der gute Glaube des Erwerbers schon bei leichter Fahrlässigkeit ausscheidet“, wie es in einem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes heißt.

Neue Bestimmung

Im Dorotheum hieß es auf Standard-Anfrage, dass die 120 Jahre alte Bestimmung seit Kurzem nicht mehr gelte. Mittlerweile müssten Dinge, die sich nachträglich als gestohlen herausstellen, ohne Gebühr an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden. Im Fall von Helene B. habe noch die alte Rechtsordnung gegolten, man habe sich aber schließlich auf die Hälfte des ausständigen Pfandbetrages geeinigt.

Pro Jahr fallen im Dorotheum 100.000 Neubelehnungen an, 95 Prozent der eingesetzten Gegenstände werden wieder eingelöst. Der durchschnittliche Pfandeinsatz liegt bei 350 Euro. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe, 17./18.12.2005)