Klarstellungen zum Leserbrief von Helmut Weihsmann im STANDARD vom 10. 12. 2005

Offenbar hält es Helmut Weihsmann mit der Genauigkeit nicht so genau. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in irgendeinem Dossier behauptet hätte, dass Josef Hoffmann "niemals ein Nazi" war, weil ich auch nicht imstande bin, das Gegenteil zu behaupten. In der Diskussion im Künstlerhaus habe ich allerdings sinngemäß gesagt, dass es mir sehr unwahrscheinlich erscheint, dass er ein "wirklicher Nazi" war. Dazu habe ich meine ganz persönlichen Vermutungen:

1.) Josef Hoffmann war mit Sicherheit kein politischer Mensch, schon gar nicht ein doktrinärer. Er entstammt einer deutsch-bürgerlichen Familie aus Mähren, was einige Schlüsse zuließe. 1940 hatte er seinen künstlerischen Zenit bereits runde dreißig Jahre hinter sich. In seiner Architektur vereinten sich neben der ornamentalen Sinnlichkeit der Wiener Secession, ein nobler Klassizismus mit dem Einfluss der Schule von Glasgow und einer sensiblen Biedermeierrezeption auf höchstem ästhetischen und handwerklichen Niveau. Um 1930 sah sich der Sechzigjährige von einer "linken Avantgarde" überrollt, und es ist sein Ausspruch (von Carmela Haerdtl) belegt, dass er seine Häuser in der Werkbundsiedlung am liebsten ganz mit Ornamenten überzogen hätte. Den "Neuen Werkbund" (gegründet mit Clemens Holzmeister, gegen den "alten, linken") und die spätere Ausstellung "Befreites Handwerk" könnte man auch als einen Rückzug in alte, gesicherte künstlerische Territorien interpretieren. Der österreichische Biennalepavillon von Venedig ist eine Meisterleistung, auch als Gratwanderung zwischen der Architektur des italienischen Faschismus und der Tradition der Wiener Moderne.

2.) Es wird kolportiert, dass der Wiener Gauleiter Baldur von Schirach (von anderen Nazibonzen misstrauisch beäugt) nach dem Rabauken "Bierleiter Gaukel" sich in Wien geradezu als Kulturmensch inszenierte. Dazu gehörte auch der Kontakt zu den Resten der alten Wiener Gesellschaft, soweit sie noch vorhanden war. Auch Josef Hoffmann wurde von ihm hofiert, und ich könnte mir vorstellen, dass dies dem alten, eigentlich schon vergessenen Architekten geschmeichelt hat. Aufträge fielen trotzdem keine besonderen ab. Gegenüber der Bautätigkeit der Parteigänger wirkt das viel zitierte "Haus der Wehrmacht" wie eine Gelegenheitsarbeit.

Es handelte sich dabei, nach Eduard F. Sekler, um eine radikale Fassadenvereinfachung der wilhelminischen "Deutschen Botschaft", in eine eher biedermeierliche Schlichtheit, wie sie der Hoffmannschen Architektur immer entsprach, und um keine deklarierte NS-Architektur. Auch das Projekt "Gästehaus der Stadt Wien" (1938/ 39) ist weit entfernt von einer architektonischen Verneigung vor dem Regime. Im kollektiven Gedächtnis der Wiener spukt auch noch ein Bunker im Wienerwald herum, den Hoffmann ausgestaltet haben soll, und der legendäre Taktstock für Richard Strauß (zum 80. Geburtstag), der so schwer war, dass man damit nicht dirigieren konnte.

3.) Bei solchen schnellen Verdächtigungen sollte man auch bedenken, dass die Architektur, durch ihre ganze Geschichte hindurch, in existenzieller Abhängigkeit von den jeweils herrschenden Verwaltern der ökonomischen Ressourcen war, so dass Architekten immer im Spannungsfeld von Identifikation und Verweigerung, also in einer breiten Skala der Annäherung oder Distanzierung arbeiteten, wobei das eine Ende der Skala die Aufgabe des Berufes bedeutete.

Bleibt die Frage: War der linke Atheist Le Corbusier, der für die Dominikaner eine der bedeutendsten Kirchen des 20. Jahrhundert baute, ein Kryptokatholik?

Die Frage, ob Josef Hoffmann ein Nazi war, sollte man der historischen Forschung überlassen. Dass er kein deklarierter Gegner war, ist wohl klar, und dass sich der Ästhet und Augenmensch, der auch noch im Krieg unentwegt seine künstlerischen Träume zeichnete, opportunistisch verhalten hat, müssen wir leider annehmen. (DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.12.2005)