London/Paris/Zürich/Mailand - Zur Lösung des Finanzstreits beim EU-Gipfel in Brüssel schreibt die konservative Zeitung "The Sunday Times" (London) am Sonntag:

"Europa ist eine Bedrohung. Es vergiftet alle, die damit in Berührung kommen. Europa hat schon Margaret Thatchers (britische) Regierung sabotiert, und nun hat es dafür gesorgt, dass (der britische Premier) Tony Blair in Brüssel zum Hanswurst geworden ist. Britische Regierungschefs werden erniedrigt, wann immer sie versuchen, Europa zu reformieren. Europa ist nach innen korrupt und nach außen eine Gefahr für den globalen Handel. Der Kompromiss, den Blair mit seinen europäischen Partnern in Brüssel gefunden hat, gefährdet die politische Zukunft eines ganzen Kontinents und ist daher unverzeihlich. (...)

Im Theater Europa ist Frankreich stets der Star. Blairs Hoffnung, (der französische Präsident Jacques) Chirac würde ihm beim Thema Agrarsubventionen einen entscheidenden Schritt entgegen kommen, war vollkommen naiv. Die Möglichkeit, die Finanzpolitik der EU zu reformieren, hat Blair nun endgültig verspielt.

"Le Monde" (Paris):

"Die jetzt folgende österreichische EU-Präsidentschaft dürfte sich auf die deutsch-französische Übereinkunft stützen, die auf dem Gipfel gut geklappt zu haben scheint. (Die deutsche) Bundeskanzlerin Angela Merkel hat darauf geachtet, eine Art Einverständnis mit Jacques Chirac zur Schau zu stellen, ohne die anderen Partner zu verstimmen. Schon bei ihrem ersten europäischen Auftritt hat sich die Regierungschefin an den 'idealen geometrischen Ort' der Diskussion gestellt und damit bewiesen, dass ihr taktisches Geschick nicht auf Innenpolitisches begrenzt ist. Jenseits der Schlacht um Prozente, die immer etwas Enttäuschendes an sich hat, brachte der Gipfel also auch einige Zeichen der Hoffnung."

"NZZ am Sonntag" (Zürich):

"(So) hat sich Blair doch noch als Visionär entpuppt, eine Eigenschaft, die ihm in letzter Zeit etwas abhanden gekommen war. Seinen euroskeptischen Briten hat er nun sechs Monate lang den Wind aus den Segeln genommen, nur um bei der letzten Boje auf europäischen Konsens-Kurs einzuschwenken. Eine Quittung an der Urne hat der wiedererwachte 'europäische Blair' nicht zu befürchten - er wird nicht mehr zu Wahlen antreten. So endet das EU-Jahr, das vom Aus für den Verfassungsvertrag und vom kleinlichen Budgetstreit getrübt war, doch noch mit einem Silberstreifen am Horizont."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Merkel hat sich in Brüssel mit großer Vorsicht präsentiert, mit einem fast bescheidenen Verhalten. Am Anfang dachten einige, dies würde bedeuten: Ich weiß von der Sache gar nichts, erklärt mir, wo das Problem ist. Aber mit der Zeit hat Merkel begonnen, sich zu offenbaren. Und sie gab sich dabei immer entspannt und lächelnd (...).

Natürlich ist das nur der Anfang. Auf Merkel warten jetzt andere Prüfungen. Die Schülerin von Helmut Kohl, die erste Kanzlerin in der deutschen Geschichte (...) hat zum Beispiel auch versprochen, die europäische Verfassung in Angriff nehmen zu wollen. Und dies ist eine noch schwierigere Aufgabe." (APA/dpa)