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Wirtschaftsminister Bartenstein ist von den Ergebnissen der WTO-Runde nicht überzeugt.
Die Abschluss-Erklärung sei ein "Ergebnis der vergebenen Chancen und Möglichkeiten", zeigte sich Bartenstein enttäuscht. Es sei jedoch besser, ein solches Ergebnis zu haben, als gar kein Ergebnis, meinte er. Ein Scheitern der Konferenz hätte für die WTO einen großen Schritt rückwärts bedeutet.
Doha-Runde noch nicht verloren
Nun könne aber das Ziel, die Doha-Welthandelsrunde Ende 2006 abzuschließen, aufrecht bleiben. "Die Doha-Runde ist noch nicht verloren", sagte Bartenstein. "Es kommt aber viel Arbeit auf uns zu, der Druck auf die EU steigt." Vor allem über der Landwirtschaft hänge ein "Damoklesschwert".
Enttäuscht zeigte sich Bartenstein vor allem von den Ergebnissen im Entwicklungsbereich. Den reichsten Ländern der Welt sei es nicht möglich gewesen, der EU zu folgen und ihre Märkte ohne Vorbehalt für die ärmsten Länder der Welt zu öffnen. Dies gelte vor allem für die USA, aber auch für andere Industrieländer.
Es klinge zwar viel, dass 97 Prozent der Zolllinien in die Industriestaaten importiert werden dürfen, dahinter versteckten sich aber 3 Prozent, die es Japan ermöglichten, Reis, Leder und Fische auszunehmen, und die USA könnten damit Textilien ausschließen, erläuterte Bartenstein.
Die EU halte dagegen an ihrer Politik fest und werde die "Everything but Arms"-Initiative so weiterführen wie bisher.
Signal in Sachen Baumwolle
Die zweite vergebene Chance sieht Bartenstein im Bereich Baumwolle. Hier sei es nicht um Exportstützungen gegangen, daher sei das Auslaufen dieser Beihilfen schon 2006 bestenfalls als "Signal" zu werten. Bei den internen Stützungen sei seitens der WTO nichts vorgesehen.
Experten nehmen an, dass die USA ihre Baumwoll-Farmer mit 5 Mrd. Dollar (4,17 Mrd. Euro) pro Jahr subventionieren und so den Weltmarktpreis drücken, sodass die westafrikanischen Baumwollproduzenten nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Es gebe nicht einmal einen verbindlichen Zeitplan in der Abschlusserklärung, die Stützungen zurückzufahren, sagte Bartenstein.
Auch für das Herzstück der WTO, einer weiteren Handelsliberalisierung bei Industriezöllen und Dienstleistungen, habe man eine Chance vertan, so Bartenstein. Hier habe man "nur winzige Schritte vorwärts gemacht". Im Bereich der Industriegüter sei lediglich eine "Tür für plurilaterale Abkommen" aufgemacht worden.
"Sehr kritisch" sieht der Minister nach wie vor die Entwicklung, den Marktzugang bei Industriegütern mit der Landwirtschaft zu verknüpfen, hier gehe es um komplett andere Dimensionen. Ein solcher Zugang wäre "der Anfang vom Ende der WTO", betonte Bartenstein.
Ein kleiner Schritt nach vorne sei die Einigung auf die Schweizer Formel für eine Senkung der Industriezölle, es gebe jedoch keinen Konsens über den Sonderabschlagsfaktor für die Entwicklungsländer.
Interessen der Bauern verteidigt
Nachdem die Verhandlungen in Brüssel für den EU-Finanzrahmen für die Periode 2007-2013 für die europäische Landwirtschaft schon erfolgreich gelaufen seien, konnten auch in Hongkong die Interessen der Bauern "mit Anstand erfolgreich verteidigt" werden, so Bartenstein. Und: "Das werden wir auch weiter so halten." Man werde nur eine Entwicklung zulassen, die ein Überleben der Bauern und Nahrungsmittelsicherheit sicherstelle.
Ein Auslaufen der Exportsubventionen für Agrarprodukte im Jahr 2013 sei "für die EU machbar", nämlich mit der Perspektive des Auslaufens der EU-Agrarreform, erläuterte Bartenstein. Das Thema Marktzugang sei nicht einmal zur Sprache gekommen. Hier gelte jedoch: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Im Umweltbereich sei ein weiterer Anlauf gescheitert, nicht-tarifäre Handelshemmnisse wegzubekommen.
Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte
Für Landwirtschaftsminister Josef Pröll (ÖVP) sind aus agrarischer Sicht drei Dinge gelungen: Der Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte in die EU konnte ohne stärkere Konzessionen verteidigt werden, die bis 2013 laufende EU-Agrarreform sei mit diesem Ergebnis abgesichert, und bei den Exportsubventionen für agrarische Produkte konnte absolute Parallelität erzwungen werden, so Pröll.
GPA: Verhandlungsergebnis für Arbeitnehmer enttäuschend
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Wolfgang Katzian, kritisierte das Ergebnis der WTO-Runde von Hongkong am Montag als "Enttäuschung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer". "Es zeigt sich wieder einmal, dass die Butterberge der Europäischen Union wichtiger sind, als die Verankerung der Grundrechte von Arbeitnehmern in das WTO-System", so Katzian in einer Pressemitteilung.
Von den ILO-Kernarbeitsnormen sei weit und breit keine Rede gewesen, so Katzian. Um kein Störfeuer zu entfachen, seien erst gar keine Forderungen für eine soziale Dimension der Globalisierung gestellt worden. Diese Haltung habe auch Bartenstein strikt eingehalten.
Bartenstein habe in seiner Rede vor dem WTO-Plenum zwar von einem fairen Handelssystem gesprochen, aber ohne auch nur mit einem Wort auf fundamentale Arbeits- und Sozialstandards einzugehen, kritisiert Katzian. "Gerade wenn man einen fairen Zugang der Entwicklungsländer zu den Weltmärkten fordert, wird die Etablierung von weltweiten sozialen und arbeitsrechtlichen Standards immer wichtiger. Die Liberalisierung des Handels muss mit einer Stärkung der sozialen Dimension einhergehen, sonst ist sie zum Scheitern verurteilt", so Katzian.
AK: "Verlierer sind wieder die Arbeitnehmer"
Enttäuscht von den Ergebnissen zeigt sich auch die Arbeiterkammer (AK). Hongkong habe keine Fortschritte in den wichtigen Fragen von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards gebracht, so die WTO-Experten der AK, Werner Raza und Eva Dessewffy in einer Pressemitteilung. Als "längst überfällig" begrüßt wird die "Mini-Einigung" über den Abbau von Exportstützungen in der Landwirtschaft bis 2013.
Unterm Strich hätten sich aber die Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister der größten Industrieländer durchgesetzt. Die WTO bleibe ein "Klub der Mächtigen und über den Tisch gezogenen, und über den Tisch gezogen würden die Arbeitnehmer und die Entwicklungsländer.
Mindestarbeitsnormen würden weiterhin ignoriert, Gewerkschaften könnten noch immer verboten werden, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Löhne, von denen man leben kann, würden in vielen Ländern weiterhin nicht durchsetzbar sein. Aber nur eine gerechtere Einkommensverteilung in den WTO Ländern könne Armut nachhaltig bekämpfen, so die AK.
Attac: "Herbe Niederlage für nachhaltige Entwicklung"
Scharfe Kritik übt auch Attac Österreich. "Die Industrieländer haben sich klar durchgesetzt, die Weichen bleiben weiterhin auf Liberalisierung und gegen Entwicklung gestellt", so die globlisierungkritische Bewegung am Montag in einer Pressemitteilung.
Attac sieht nicht mehr viel Zukunft in der WTO. "Die Verlangsamung des Verhandlungstempos verrät deutlich, dass sich die WTO sich in einer Sackgasse befindet", so Franziskus Forster von Attac Österreich. Gemessen an den Zielen Entwicklung, Umweltschutz, soziale Sicherheit und Menschenrechte sei die Doha-Runde schon gescheitert. Attac fordere daher eine grundlegende Neuorientierung des Welthandelssystems. "Die WTO ist mit ihrer entwicklungsfeindlichen Konzernagenda ist das falsche Forum dafür", so Forster.
"Drei schlechte Deals"
Für schwache Zugeständnisse bei Exportsubventionen und Baumwolle erhielten die Entwicklungsländer "drei schlechte Deals" bei anderen Landwirtschaftsthemen, Industriegütern und Dienstleistungen - unterm Strich ein klarer Punktesieg für die Industrieländer und keine Spur von Entwicklungsrunde, so Forster weiter.
Bei den Industriezöllen (NAMA) bedeute die Festlegung auf die "Schweizer Formel" - die armen Länder müssten de facto die Zölle radikaler senken als die reichen - einen klaren Sieg für die Konzernagenda in der WTO. Im GATS-Abkommen werde die viel gepriesene Flexibilität für die armen Länder bei der Marktöffnung eingeschränkt, was eine Entdemokratisierung des Verhandlungsprozesses bedeute. Das Entgegenkommen der Industrieländer, das Enddatum für die Exportsubventionen, sei mit 2013 beschämend spät angesetzt und löse nur einen geringen Teil des Dumpingproblems. Auch bei der Baumwolle sei nur ein Teilproblem angegangen, die Forderungen der afrikanischen Länder ignoriert worden, kritisiert Attac.
Schwarzböck: Europa gab zu Lasten der Landwirtschaft nach
Der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich und des Europäischen Bauernverbandes (COPA), Rudolf Schwarzböck, hat sich am Montag über den Minimalkompromiss zwischen Industrie- und Entwicklungsländern auf der WTO-Konferenz enttäuscht gezeigt. Die Taktik der EU sei nicht aufgegangen, durch Zugeständnisse im Bereich der Agrarexporterstattungen Verbesserungen beim Marktzutritt für nichtagrarische Güter und Dienstleistungen zu erreichen, so Schwarzböck in einer Pressemitteilung.
Die EU habe beim Exportwettbewerb "einseitig nachgegeben", während die USA und Brasilien zu keinerlei parallelen Disziplinen wie bei Exportkrediten, Staatshandelsunternehmen, interne Stützungen und Importerleichterungen für Entwicklungsländer verpflichtet worden seien, führte Schwarzböck aus. Damit seien die Vorleistungen der EU auf diesen Gebieten nicht anerkannt worden.
Enttäuschend sei auch, dass Kriterien wie Mindeststandards im Sozial- und Umweltbereich, Schutz der Ernährungssouveränität, Förderung lokaler Marktstrukturen in Hongkong gar nicht mehr auf der Tagesordnung gestanden seien, so Schwarzböck. Der Minimalkonsens erhöhe den Druck auf die europäische Landwirtschaft, das bedrohte Gleichgewicht zwischen ländlichen und urbanen Räumen sei damit noch mehr in Gefahr gebracht worden.
Auch Industrie ist enttäuscht
Als "grosso modo enttäuschend" bezeichnete auch der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Markus Beyrer, das Ergebnis. Die österreichische Exportwirtschaft hätte durch einen freien Marktzugang in den Schwellenländer überdurchschnittlich profitiert, so Beyrer am Montag in einer Pressemitteilung.
Auf dem Gipfel sei "eine Chance nicht genützt worden", betonte Beyrer. Laut einer aktuellen Studie der Weltbank hätten sich die Gewinne einer umfassenden Handelsliberalisierung bis 2015 auf 300 Milliarden US-Dollar (250 Mrd. Euro) jährlich belaufen.
Es sei bedauerlich, dass die Runde primär von Agrarfragen dominiert worden sei. Dass sich die Europäische Union mit der angestrebten Öffnung der Märkte für Industriegüter und Dienstleistungen gegenüber den Schwellenländern nicht habe durchsetzen können, bezeichnete Beyrer als "Rückschlag für den offenen Welthandel".