Bild nicht mehr verfügbar.

Drei Freunde im Karl-Marx-Theater: Venezuelas Präsident Hugo Chávez, sein kubanischer Kollege Fidel Castro und der Bolivianer Evo Morales im April 2005 in Havanna.

Foto: REUTERS/Claudia Daut
DER STANDARD
Nach dem Wahlsieg von Evo Morales in Bolivien wird ein weiteres südamerikanisches Land von einem Linken regiert. Die EU will dennoch eine stärkere Anbindung des Kontinents durch Wirtschaftsabkommen

*****

Evo Morales sieht sich als Rächer der Armen: "Wir sind die Kommandanten der Befreiung Boliviens, wir werden dem nordamerikanischen Imperialismus die Stirn bieten, wir werden alle Bodenschätze nationalisieren." Der 46-jährige linke Koka-Bauer und Gewerkschaftsführer, der im Wahlkampf nicht vor radikalen Phrasen wie diesen zurückgeschreckt ist, schickt sich an, erster Indio-Präsident in Bolivien zu werden.

Einer der ersten, der Glückwünsche sandte, war Hugo Chávez. Seit der linke Populist 1999 in Venezuela an die Macht gelangt ist, breitet sich auf der politischen Landkarte Lateinamerikas die Farbe Rot aus: 2003 wurde in Brasilien der Arbeiterführer Luiz Inácio Lula da Silvia zum Staatschef gewählt, dessen Partei aber inzwischen in einen Korruptionsskandal verwickelt ist. In Argentinien zog mit Néstor Kirchner ein Vertreter des linken Flügels der Peronisten in den Präsidentenpalast "Casa Rosada", der zuletzt einen weiteren Schwenk nach links vollzogen hat. In Uruguay wählten die Bürger erstmals in der Geschichte des Landes mit Tabaré Vázquez einen Linken.

Am vorvergangenen Sonntag lag die Sozialistin Michelle Bachelet in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen vorne. Sie dürfte die Stichwahl am 15. Jänner gewinnen und in die Fußstapfen ihrer Parteifreundes und Förderers Ricardo Lagos treten.

Neu weitere Wahlen

Nach Chile und Bolivien stehen in neun weiteren Staaten Präsidentschaftswahlen in den nächsten Monaten an, wo auch Linke die besten Chancen haben, die Wahlen zu gewinnen. In Mexiko könnte der bisherige Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Andrés Manuel López Obrador den konservativen Politiker Vicente Fox beerben. Nicht auszuschließen ist auch, dass in Nicaragua der Sandinist Daniel Ortega an die Macht zurückkehrt. In Peru kann sich mit dem ehemaligen Offizier Ollanta Humala ein linker Nationalist Chancen auf die Nachfolge von Alejandro Toledo ausrechnen.

Aber Links ist nicht gleich Links: Chile nimmt eine Sonderstellung ein. Nicht zuletzt wegen der Concertación, dem Bündnis von Sozialisten, Sozial- und Christdemokraten, der dem Land nach dem Abgang von Diktator Augusto Pinochet die nötige Stabilität verleihen sollte, fällt Chile durch einen wirtschaftsliberalen Kurs auf. Präsident Lagos hat das europäische Modell einer sozialen Marktwirtschaft zum Vorbild erklärt.

Der chilenische Weg hat keine Übereinstimmungen mit der von Chávez verfochtenen "boliviarianische Revolution". Chávez beruft sich auf den Revolutionshelden Simón Bolívar und versucht, "eine "Allianz des Fortschritts" zu schaffen, die besser "als mörderischer Freihandel" mit den USA sei, der die Zahl der Armen erhöhe. Seit Chávez die Erdölgesellschaft PDVSA wieder unter staatliche Kontrolle gebracht und damit direkten Zugriff auf die Einnahmen des fünftgrößten Ölproduzent der Welt hat, kann er Geld verteilen: zu Hause in den von ihm eingerichteten "Missiones" in den Armenvierteln und im Ausland unter Freunden.

So hat er seinem Freund Kirchner einen Milliardenkredit gewährt und um 950 Millionen US-Dollar argentinische Anleihen gekauft, sodass Argentinien am Wochenende mit der überraschenden Meldung aufwartete, dem Internationalen Währungsfonds Schulden in Höhe von knapp 10 Milliarden US-Dollar bis Jahresende auf einen Schlag zurückzuzahlen. Chávez will auch Anleihen Ecuadors kaufen. Seine Machtstellung ausgebaut hat Chávez auch damit, dass Venezuela Anfang Dezember dem Wirtschaftsverbund Mercosur beigetreten ist.

Trotz ideologischer Gegensätze zwischen Chávez und seinem konservativen Nachbarn Alvaro Uribe in Kolumbien gibt es auffällige Parallelen: Beide haben es geschafft, Verfassungsbestimmungen auszuhebeln, die die unmittelbare Wiederwahl eines Präsidenten verhindert haben. So werden wohl beide 2006 im Amt bestätigt werden. Damit könnte Uribe als Bollwerk gegen den weiteren Vormarsch der Linken wichtigster Verbündeter der USA auf dem Subkontinent werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2005)