Drei Krügerl Bier im Monat: So viel, rund neun Euro, kostet jeden Österreicher die EU-Mitgliedschaft. Die Aufregung von links bis rechts geht weit über die Krügelhöhe hinaus und liefert einen Vorgeschmack, in welch engen Populismusgrenzen sich die EU-Debatte während der österreichischen Präsidentschaft abspielen wird. Wien liegt den heimischen Politikern allemal näher als Brüssel, in einem Wahljahr noch viel mehr.

Was zählen schon Fakten, wenn es Wahlen zu gewinnen gibt? Denn dass der Nettobeitrag, den Österreich jedes Jahr nach Brüssel überweist, steigen muss, war unausweichlich: Erstens kostet eine Union mit derzeit 25 und bald 27 Mitgliedern mehr als eine Gemeinschaft der 15. Zweitens braucht ein vereintes Europa, das sich von der Sicherheitspolitik bis zur geplanten Eliteuni immer mehr Aufgaben vornimmt, auch mehr Mittel. Drittens ist nur logisch, dass Österreich, das drittreichste Land der EU, einen Teil seiner Strukturförderungen verliert, wenn neue, ärmere Mitglieder zur europäischen Familie dazustoßen.

Zu solchen Argumenten der Vernunft sind aber derzeit nur die Grünen fähig. Die bedächtige Stimme von Alexander Van der Bellen, der mehr Geld für mehr Europa verteidigt, hebt sich wohltuend aus dem Chor der Eiferer ab. Seine Kollegen Parteichefs, von Alfred Gusenbauer über Jörg Haider bis Heinz-Christian Strache, hingegen können der Versuchung nicht widerstehen, Kanzler Wolfgang Schüssel für dessen Ja zur Verdoppelung des Nettobeitrags Österreichs zu geißeln.

Fast einstimmig wettern Rot, Orange und Blau gegen höhere Zahlungen nach Brüssel. Ein Kanzler Gusenbauer hätte zwar beim Gipfel auch keinen wesentlich anderen Budgetkompromiss ausverhandeln können - da die SPÖ keine Regierungsverantwortung hat, sieht sie offenbar keinen Grund, sich verantwortungsbewusst zu verhalten.

Haider und Strache ist ohnehin jede Gelegenheit recht, aufzufallen. Wenn es auf Kosten der ungeliebten EU geht, umso besser - damit sind im besonders europakritischen Österreich billige Punkte zu machen, auch in der Krone. Oberpopulist Strache kündigt als seinen Beitrag zur Präsidentschaft sogar ein Anti-EU-Volksbegehren an. Das wird ein besonderes Renommee für Österreich werden.

Allerdings: Die ÖVP hat sich diese plumpe Kritik zu einem Teil selbst zuzuschreiben. Viel zu spät ist Schüssel mit dem Bekenntnis herausgerückt, dass Österreichs Beiträge auf jeden Fall steigen werden. Bis wenige Tage vor dem Gipfel hat Schüssel diese Wahrheit verschwiegen - und damit die Chance vertan, mit Argumenten durchzudringen, warum höhere Geldzahlungen nur fair sind. Erklären, für Positionen werben, zu überzeugen versuchen - das war noch nie eine Qualität Schüssels.

Mit den Argumentationslinien um das EU-Budget sind die strategischen Positionen für die Präsidentschaft abgesteckt: FPÖ und BZÖ schießen aus allen Rohren und wetteifern um die Rolle der europakritischsten Partei. Die SPÖ agiert nur wenig zurückhaltender, versucht das innenpolitische Vakuum und den Präsidentschaftsstress der ÖVP zu nutzen und Schüssel zu attackieren. Für fundierte inhaltliche Debatten bleibt in dem Populismuskonzert wenig Platz: Denn die drängenden Fragen, was mit der EU-Verfassung passiert oder, noch grundsätzlicher, in welche Richtung die EU gehen soll, sind mit simplen Attacken nicht zu beantworten.

Das kritisiert die ÖVP zwar zu Recht. Allerdings: Auch Schüssel ist bisher nicht mit Lösungsvorschlägen für die Krise Europas aufgefal- len. Dennoch erwartet der Schweigekanzler Stillschweigen auch von anderen, will die Opposition zum Schulterschluss während der Präsidentschaft verdonnern - und reagiert beleidigt, wenn die politische Konkurrenz auf dieses Angebot des Kritikverbots an der ÖVP nicht eingeht.

Dabei ist die Aufforderung zum Schulterschluss genau so populistisch wie die schrille Kritik am EU-Budget. Denn Schüssel wird zwar Ratspräsident - aber nicht sakrosankt. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2005)