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In Belgrad werden bereits EU-Flaggen genäht.

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Martin Olbrich, Vertriebschef bei Tondach Gleinstätten, wünscht sich von der österreichischen EU-Präsidentschaft, dass die Erweiterung vorangetrieben wird.

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Mit der jüngsten EU-Erweiterung rückte das südsteirische Unternehmen Tondach Gleinstätten in die Mitte einer blühenden Region. Nun hoffen die Ziegelhersteller auf die Integration des Balkans

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Gleinstätten, Bezirk Leibnitz, Südsteiermark. "Früher war das der tiefste Süden." Sagt ein Einheimischer. Martin Olbrich ist Vertriebschef bei Tondach Gleinstätten und Assistent seines Vaters Franz beim ehemaligen reinen Familienunternehmen, das gemeinsam mit den Vierteleigentümern Lafarge und Wienerberger seit den frühen 90er-Jahren zu einem European Player geworden ist. "Jetzt sind wir in der Mitte einer Region. Es ist einfach alles leichter. Laibach und Zagreb sind näher als Wien."

Tondach Gleinstätten produziert heute 440 Millionen Stück Dachziegel pro Jahr mit 3400 Mitarbeitern in 31 Werken und zehn Ländern – außer in Österreich in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Kroatien, Mazedonien, Rumänien, Slowenien, Serbien, Bosnien- Herzegowina. In Bulgarien wird gerade intensiv an einer Übernahme gearbeitet, erzählt Olbrich im STANDARD-Gespräch. Und beantwortet die naive Frage des Redakteurs: Warum muss man als österreichisches Unternehmen eigentlich Richtung Osten gehen? "In unserer Branche sind nicht die Personalkosten der Grund. In einem Ziegelwerk arbeiten, gemessen am Ausstoß, nicht so viele Leute – achtzig bis hundert pro Fertigungslinie. Wichtig ist es, im Land zu sein. Der Hauptgrund sind aber die hohen Transportkosten." Offene Grenzen haben dabei einiges verbilligt. "Obwohl: Es gibt noch immer Hindernisse – zum Beispiel, wenn der Lkw zweimal an der Grenze gewogen werden muss. Wir freuen uns auf Schengen."

Blicke nach Süden

Was erwartet sich Olbrich eigentlich von der österreichischen EU-Präsidentschaft? "Dass die zukünftige Erweiterung vorangetrieben wird. Aus dem ehemaligen Jugoslawien sollte wieder ein einheitlicher Wirtschaftsraum werden. Österreich könnte da mit seinem Status für die Integration etwas bewirken und auch andere Länder, den Westen dafür begeistern."

Für den Generalsekretär der heimischen Industriellenvereinigung (IV), Markus Beyrer, folgen 2006 "mit der österreichischen und der finnischen zwei reformorientierte Präsidentschaften". Die heimische Industrie – einer der Hauptprofiteure der EU-Entwicklung seit 1995 – ist zuversichtlich, dass sich bei der Dienstleistungsrichtlinie (siehe Artikel unten) und bei der Arbeitszeitenrichtlinie Entscheidendes tun wird. Dem Wunsch nach einer engeren Kooperation Österreichs mit den ost- und südmitteleuropäischen Ländern habe die IV mit ihrem Zentraleuropäischen Industriemanifest Rechnung getragen. Dieses will Beyrer Anfang 2006 den EU-Abgeordneten der fünf beteiligten Länder präsentieren (Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien). "Die Dynamik in der EU kommt aus den neuen Ländern."

"Spezielle Rolle" Österreichs

Bei der Frage der Erweiterung der EU erkennt Beyrer die "spezielle Rolle" Österreichs an, plädiert aber auch für ein Vorgehen, das "Schritt für Schritt setzt und die Öffentlichkeit nicht überfordert". Auch der Kompromiss zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sei schließlich "nach den wirklich harten Verhandlungen ein guter gewesen, wenn man es nach der Cooling-out-Phase mit Abstand betrachtet", so der Industrie-General. Bei der Aufgabe, Kroatien zu integrieren, sei schon "relativ viel erfolgt", ebenso sei zu begrüßen, dass Mazedonien Beitrittskandidatenstatus erhalten habe. Und auch Serbien sei "letztlich integraler Bestandteil Europas", dessen habe man sich in der EU anzunehmen. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.12.2005)