Die Künstlerin Esra Ersen thematisiert die Welt deutscher Mädchen türkischer Herkunft im O.K in Linz.

Foto: O.K
Linz - Esra Ersen ist eine wandernde Künstlerin - eine Migrantin sozusagen. Einerseits lebt und arbeitet sie in Istanbul, andererseits führen sie Residencies regelmäßig in das EU-Europa, wo sie auf die Umgebung und den Ort bezogene Arbeiten produziert.

Ersens Arbeitsweise ist dokumentarisch und umfasst neben Videos und Fotografien Installationen, in die die Arbeiten zur Präsentation eingebettet sind, die aber auch einen bestimmten Bedeutungscharakter haben. So stellt die Künstlerin in der Arbeit "Im Strafraum" (2001), einer Auseinandersetzung mit der Identitätsfindung deutscher Mädchen türkischer Herkunft, die Besucher physisch in den Strafraum, den Ort, wo verschärfte Regeln herrschen, man leicht ins Abseits gerät.

Von der Gesellschaft ins Abseits gestellte Personengruppen erregen im höchsten Maße die Aufmerksamkeit der Künstlerin. Seien es die Häftlinge der Strafanstalt Karlau in Graz, denen die Künstlerin mittels Plakatleinwänden zu starken, manchmal poetischen Aussagen verhilft, Schnüfflerkinder in Istanbul, die über ihr Leben, ihre Wünsche und Hoffnungen reflektieren, oder Schwarzafrikaner, die aus EU-Ländern in die Türkei abgeschoben werden und in Istanbul als Illegale versuchen zu existieren. Diese hat Ersen über sechs Monate hinweg begleitet und deren Lebensräume dokumentiert. Die Langfristigkeit ihrer Projekte führt zu einem zumeist sehr intensiven Ergebnis, in dem sich die Porträtierten in erstaunlichster Weise öffnen. Migranten sind immer wieder - als abseits des vorherrschenden Systems Stehende - Protagonisten in Ersens Arbeiten.

Ehrliche Türken

Für If you could speak Swedish (2001) hat sie Immigranten in einem Vorort von Stockholm zum dort obligatorischen Sprachunterricht begleitet, der mehr Barrieren auf- als abbaut. Doch nicht nur das dokumentarische Video ist Teil der Arbeit, sondern auch die im O.K ganz spezifische Installation mit Schulbänken und Kopfhörern auf den Tischen, die die Betrachter in die oft nicht angenehme Situation des Lernenden im Frontalunterricht versetzt.

Speziell für die Ausstellung in Linz hat Esra Ersen das Projekt "Ich bin Türke, bin ehrlich, bin fleißig ..." (2005) umgesetzt, das zuvor schon in Deutschland und Korea durchgeführt wurde. Dabei bezieht sich die Künstlerin auf einen Ausspruch, den türkische Schüler jeden Montag vor Schulbeginn aufsagen müssen und der zur Identifikation der Kinder mit dem Staat führen soll.

Ersen hat nun Schüler einer Integrationsschule in Linz eine Woche lang mit schwarzen Schuluniformen eingekleidet und diese Tagebuch führen lassen. Die Texte hat sie nach der Woche auf die Uniformen drucken lassen und präsentiert in der Ausstellung Videos und die bedruckten Uniformen auf Kleiderhaken. Ersen zielt damit auf das Gefühl der Identifikation ab, das jedem Individuum auf die eine oder andere Weise eingeprägt wird - immer wieder Thema in den Arbeiten der Künstlerin.

Aufsehen erregend ist der an die Struktur Istanbuls angelehnte installative Aufbau in der "Schlucht" des O.K, der Raum für vier Videoprojektionen bietet, die sich speziell mit Istanbul, bzw. dem Spannungsfeld Europa-Asien auseinander setzen. (nt/DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2005)