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Manfred Baron von Ardenne (Archivbild vom Dezember 1996)

Foto: APA/dpa/Matthias Hiekel
Berlin - Es war Langeweile am Weihnachtsabend, die dem Fernsehen vor 75 Jahren zum experimentellen Durchbruch verhalf. Der Weihnachtsmuffel Manfred Baron von Ardenne ließ sich durch nichts aus seinem Forschungslabor für Elektronenphysik in Berlin-Lichterfelde locken. Ausgerechnet am Heiligen Abend glückte dem jungen Erfinder die weltweit erste elektronische Fernsehübertragung mit einem nur wenige Quadratzentimeter großen Bild.

Die Welturaufführung der bis heute meistgenutzten Fernsehtechnik zur Übertragung bewegter Bilder erfolgte im Jahr darauf in Halle III der Internationalen Funkausstellung unter dem Berliner Funkturm. Der damals 23-jährige Forscher legte damit den technischen Grundstein für das Massenmedium, das bis heute die Welt ins Wohnzimmer holt.

Grundidee

Bei seinen Experimenten konnte sich Ardenne auf die Eingebung eines weiteren Weihnachtsmuffels stützen. Am Weihnachtsabend 1883 hatte der Berliner Mathematikstudent Paul Nipkow die bis heute entscheidende Grundidee des Fernsehens entwickelt: Ein Bild wird bei der Aufnahme von einem Leuchtfleck zeilenweise zerlegt, gesendet und beim Empfänger ebenfalls zeilenweise wieder zusammengesetzt. Dazu ersann Nipkow eine rotierende Scheibe, die spiralförmig durchlöchert ist. Durch sie zerlegt der Strahl das Bild zeilenweise zusätzlich in kleine Punkte.

Im Jänner 1884 meldete Nipkow seine Idee beim Kaiserlichen Patentamt an. Erst 13 Jahre später erfand der Physiker Karl Ferdinand Braun die fürs Fernsehen notwendige elektronisch steuerbare Glasröhre. Doch es blieb Ardenne vorbehalten, Nipkows Grundidee der elektronischen Bildübertragung erneut mehr als 30 Jahre später mit zwei Braunschen Kathodenstrahl-Röhren, von denen eine als Sender und die andere als Empfänger diente, technisch zum Erfolg zu führen.

Biografisches

Ardenne war ein schillernder Forschertyp, der bei etablierten Wissenschaftern Fragen aufwerfen konnte. Das zum Hochschulbesuch qualifizierende Abitur hat er nie abgelegt. Als 15-Jähriger entwickelte er sein erstes elektronisches Patent und verließ sich danach vor allem auf seine herausragenden autodidaktischen Fähigkeiten. Das Studium der Physik, Chemie und Mathematik blieb ein nur vier Semester kurzes Intermezzo, das er gelangweilt aufgab und sich lieber der Entwicklung des ersten Rasterelektronenmikroskops widmete.

Nach Kriegsende siedelte der internierte "Rote Baron" in die Sowjetunion in das georgische Sochumi über, um die sowjetische Atombombe mit zu entwickeln. Dies sollte ihm den Stalin-Preis sichern. Nach seiner Rückkehr in die DDR gründete er ein nach ihm benanntes Forschungsinstitut in Dresden. Er hielt mehr als 600 Patente, als er im Mai 1997 im Alter von 90 Jahren starb.

Fernsehen

Das Fernsehen hat er mit seinen frühen Entwicklungen vor 75 Jahren bis heute wesentlich geprägt - auch wenn die klassische Kathodenstrahlröhre ihren Platz immer mehr modernen Flachbildschirmen räumen muss und analoge Übertragungsverfahren digitalen weichen. Ardennes Idee der vollelektronischen Bildübertragung steckt indes grundsätzlich noch immer in den modernsten digitalen Fernsehgeräten.

Weltweit werden jedes Jahr rund 170 Millionen Fernseher verkauft. Selbst das Internet hat der Attraktivität des Mediums nichts anhaben können. Im diesjährigen Weihnachtsgeschäft klingeln die Kassen der Elektronikhändler wieder kräftig. Rückenwind gibt ihnen die Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Hersteller von Flachbildschirmen erleben vor dem Fest einen regelrechten Run, der bei besonders gefragten Geräten bereits zu ausverkauften Lagern geführt hat. Manfred von Ardennes Weihnachtserfindung wird 75, ein Fall fürs Altenteil ist sie aber noch lange nicht. (APA)