Bild nicht mehr verfügbar.

Diese primitiven Kalkulationen schädigten Europa so Dalia Grybauskaite.

Foto: APA/European Commission
STANDARD: Sind Sie zufrieden mit dem Budgetkompromiss?

Dalia Grybauskaite: Ich habe sehr gemischte Gefühle. Vor allem, wie die Vereinbarung zustande kam. Es war aber sehr wichtig, noch im Dezember eine Einigung zu finden. Aber es ist ein hoher Preis zu zahlen.

STANDARD: Was ist so negativ?

Grybauskaite: Können wir sagen, dass die Vereinbarung ideal für Europa ist? Nein. Die Art, wie das ausverhandelt wurde, hat Schaden in den europäischen Beziehungen verursacht. Es waren auch keine wirklichen Verhandlungen, sondern ein Basar, ein Straßenhandel. Wenn man mit kleinen Geschenken einige Mitgliedstaaten kaufen kann, dann glaube ich nicht, dass das die Art ist, wie man miteinander umgehen soll. Es sollten solch billige Methoden nicht angewendet werden.

STANDARD: Ist für Sie das Solidaritätsprinzip verletzt worden, was die neuen Mitgliedstaaten betrifft?

Grybauskaite: Der Versuch der britischen Präsidentschaft zu Beginn, bei den neuen Mitgliedstaaten die härtesten Einschnitte zu machen, war ein großer politischer Fehler. Das hat großen Schaden verursacht. Jetzt gibt es zwar symbolisch ein bisschen mehr für Kohäsionsfonds, aber es wird Jahre dauern, das wieder zu reparieren.

STANDARD: Wird das Budget den Aufgaben der EU gerecht?

Grybauskaite: Dieses Budget reflektiert nicht die politischen Prioritäten, zu denen sich die Staats- und Regierungschefs selbst verpflichtet haben, etwa bei ländlicher Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit, Forschung und Entwicklung. Im Rat stimmen die Mitgliedstaaten vielem zu. Dann sitzen sie um den Tisch und sprechen dann erst über die Finanzierung. Man legt den Rahmen fest und versucht dann, die Politikbereiche hineinzupressen. Die Ausgaben für die Agrarpolitik und für die Kohäsions- und Strukturfonds sind in Verträgen festgelegt. Das betrifft rund 80 Prozent. Fünf Prozent gehen für die Administration darauf, was verglichen mit den Aufwendungen der Nationalstaaten dafür wenig ist, so bleiben nur 15 Prozent für den Rest. Damit können wir nicht zufrieden sein.

STANDARD: Tragen die Briten nun durch den Abstrich an ihrem Beitragsrabatt in Höhe von 10,5 Milliarden Euro einen fairen Anteil an den Kosten der EU-Erweiterung?

Grybauskaite: Bis 2013 wäre der Britenrabatt durch die EU- Erweiterung ohne Änderungen um 64 Prozent gestiegen. Diese Summe korreliert nun mit den Kohäsionsausgaben für die neuen Mitgliedstaaten und beinhaltet nicht Agrarausgaben.

STANDARD: Was kommt nun auf die österreichische EU-Präsidentschaft zu?

Grybauskaite: Österreich wird eine kritische Rolle spielen müssen und die kommende Präsidentschaft wird nicht einfach werden. Zuerst muss die Vereinbarung mit dem EU- Parlament abgesichert werden. Bereits am 23. Jänner 2006 gibt es den ersten Trialog - Rat, Kommission und Parlament - dazu. Diese Verhandlungen werden sehr schwierig werden. Man muss auch noch über konkrete Projekte verhandeln und die Eigenmittelangelegenheit behandeln, das ist eine gesetzliche Maßnahme. Es geht auch noch um das Budget 2007. Zumindest in meinem Bereich gibt es viel für die österreichische Präsidentschaft zu tun.

STANDARD: Österreichs Bundeskanzler wird zu Hause kritisiert, weil sich die Nettobeiträge mehr als verdoppeln. Können Sie dies bestätigen?

Grybauskaite: Niemand kann jetzt schon sagen, wie hoch die absoluten Zahlen sind. Das hängt auch vom Bruttoinlandsprodukt ab und davon, wie hoch die Rückflüsse sind. Österreich bekommt viel aus den Kohäsionsfonds und ist einer der größten Empfänger von Mitteln für die ländliche Entwicklung. Durchschnittlich macht der Nettobeitrag Österreichs 0,34 Prozent vom Bruttonationaleinkommen aus, während der anderer Staaten wie Deutschland, mehr als 0,4 Prozent ausmacht.

STANDARD:Aber nichtsdestotrotz gibt es die Diskussion. Können Sie das verstehen?

Grybauskaite: Hat Österreich jemals diskutiert, wie viel es an die Vereinten Nationen zahlt und wie viel davon zurückkommt? Immer wenn man diese schreckliche Diskussion führt, wer gewinnt was, dann muss man auch sagen, wie sehr man durch die EU profitiert. Österreich profitiert durch den Handel mit den neuen Mitgliedstaaten sehr stark. Das hat die Wirtschaft beflügelt. Diese primitiven Kalkulationen schädigen Europa. Man sollte diese Diskussionen vermeiden. Das schadet der europäischen Idee.

STANDARD: Österreich hat bei den Budgetverhandlungen vergangenes Wochenende mehr Geld für ländliche Entwicklung, für die Grenzlandförderungen herausgeholt. Sehen Sie Österreich als Gewinner?

Grybauskaite: Ja, zumindest wenn man das mit dem Luxemburger Vorschlag vom Juni vergleicht. Der Abschluss für Österreich liegt jetzt um 71 Millionen Euro pro Jahr über dem Luxemburger Vorschlag. Österreich wird insgesamt vom EU-Budget rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bekommen.

STANDARD: Es gibt eine Debatte über die zukünftige Finanzierung der EU. Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat gerade gemeint, ohne umfassende Reform bei der Finanzierung würde Europa "Selbstmord" begehen. Er ist für eine EU-Steuer. Sind Sie dafür?

Grybauskaite: Wir vermeiden das Wort Steuer heute, weil das bei einigen Mitgliedstaaten und Bürgern einen Schock auslöst. Das wird vor allem von jenen Staaten gefordert, die für mehr Integration in Europa sind. Ich weiß, dass das auch vom österreichischen Kanzler kommt. Aber andere wollen weniger Integration. Wir werden einen Vorschlag für 2008/09 vorlegen mit Empfehlungen, wie man mit den Finanzierungsquellen umgehen kann. Es gibt verschiedene Elemente, es muss nicht unbedingt eine Steuer sein.

ZUR PERSON

Dalia Grybauskaite (49) war vor ihrem Wechsel nach Brüssel Finanzministerin in Litauen und hatte sich dort einen Namen als unerschrockene Kämpferin gegen die Mafia gemacht. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.12.2005)