Ausgerechnet der Polizei ist es überlassen geblieben, die fundierteste Kritik an der Hüftschusspolitik von Nicolas Sarkozy anzubringen. Die "Renseignements Généraux" (im Innenministerium angesiedelter Nachrichtendienst, der Regierungsmitglieder mit Informationen beliefert und die Tätigkeit politisch extremer Gruppen überwacht) wenden sich gegen ihren eigenen Vorgesetzten, der behauptet hatte, hinter den Krawallen steckten islamistische Drahtzieher oder Drogenbanden. Die Unruhen seien "weder organisiert noch manipuliert" gewesen, hält nun ein vertraulicher Bericht unzweideutig fest. Dies mindert aber laut den RG nicht das Ausmaß der Gewalt: Bei den Krawallen handle es sich um einen eigentlichen "Volksaufstand". Die Ursachen seien indes nicht etwa die ethnische oder geografische Herkunft der Delinquenten, sondern das soziale Elend.Eher beunruhigend ist auch das Fazit des Nachrichtendienstes: Weil die Ursachen so tief gingen, könne der kleinste Anlass wieder wie der Funke im Pulverfass wirken. Ganz gelöscht ist der Schwelbrand ohnehin nicht: Zum alltäglichen Vandalismus gehört es, dass in ganz Frankreich an jedem Wochentag rund 50 und in der Samstagnacht 100 Autos in Flammen aufgehen - durchschnittlich also fast 60 Fahrzeuge pro Tag. Dies bedeutet, dass zwischen Jahresbeginn und November mehr Autos verbrannten als während der Krawalle - ohne dass dies ein Medienecho fand. Für die Neujahrsnacht werden in der Straßen tausende zusätzlicher Polizisten zirkulieren. In der Hoffnung, dass der Funke nicht wieder zündet. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2005)