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Wien - Der berüchtigte NS-Arzt Heinrich Gross ist tot. Wie seine Familie bestätigte, ist er am 15. Dezember im 91. Lebensjahr in Hollabrunn verstorben. Die Beisetzung fand bereits Donnerstag statt.

Gross soll im Jahr 1944 als Stationsarzt an der berüchtigten Wiener Euthanasieklinik Am Spiegelgrund an der Tötung von mindestens neun behinderten Kindern mitgewirkt haben. Eine gerichtliche Verurteilung erfolgte allerdings nie. In den letzten Jahren wurde mittels Gutachten wiederholt die Verhandlungsunfähigkeit Gross' festgestellt. Er soll an Demenz gelitten haben.

Ein erstes Gerichtsverfahren gegen Gross wurde bereits 1950 geführt. Der Arzt wurde wegen Mitschuld am Totschlag eines Kindes zu zwei Jahren Haft verurteilt. 1951 hob das Obergericht das Urteil allerdings auf, das Verfahren wurde eingestellt. Gross wurde wieder in den Dienst der Stadt Wien gestellt - in der Nervenheilanstalt Rosenhügel. 1953 trat er der SPÖ bei, 1955 kehrte er an den Spiegelgrund, die heutige Baumgartner Höhe, zurück.

In den Jahren danach war die NS-Vergangenheit Gross' kein Thema mehr. Er wurde für seine Forschungen an den teils aus der NS-Zeit stammenden Kinderhirnen mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet und bekam das Ehrenkreuz für Wissenschaft. Dieses wurde ihm erst im März 2003 wieder aberkannt.

Aufgebracht wurde der Fall Gross erst wieder durch den Wiener Unfallchirurgen Werner Vogt, heute bekannt als Pflegeombudsmann. Im heurigen Jahr tauchten neue Dokumente aus russischen Archiven auf, laut denen Gross sogar an der Tötung von deutlich mehr Menschen beteiligt gewesen sein könnte. (red, DER STANDARD - Printausgabe, 23. Dezember 2005)