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"Wir waren Brügge ebenbürtig. Der Modus war gegen uns."

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Standard: Könnten wir uns darauf verständigen, das Wort Färöer zu vermeiden?

Josef Hickersberger: Für mich ist das kein Problem. Ich kann jederzeit Färöer sagen. Es war der absolute Tiefpunkt in meiner Laufbahn als Trainer. Das 0:1 ist etliche Jahre her, es wurde von mir verarbeitet. Das hat lange genug gedauert. Wenn man einmal in so einer Situation war, lernt man, wie man solche fußballerischen Katastrophen künftig verhindern kann. Abgesehen davon glaube ich, dass der Blitz nicht zweimal ins gleiche Gebäude einschlägt. Er sucht sich immer neue Opfer aus.

Standard: Noch vor ein paar Monaten haben Sie erklärt, dass Teamchef kein richtiger Job ist. Man steht nicht täglich auf dem Platz, das hat mit Arbeit nur am Rande zu tun. Woher der Sinneswandel?

Hickersberger: Ich wollte gewissen Gerüchten entgegentreten, das Thema erledigen. Die Krankl-Frage wurde ja von außen gestellt. Für mich ist die Solidarität mit einem Berufskollegen wichtig. Aber es stimmt, dass du als Teamchef nicht täglich mit der Mannschaft arbeiten kannst. Du verlierst einen großen Teil von dem, was du eigentlich am liebsten machst.

Standard: Warum verzichten Sie darauf, Sie hätten ja bei Rapid bleiben können?

Hickersberger: Der Grund ist die Attraktivität des Ziels. Die Motivation, eine österreichische Nationalmannschaft bei einer Europameisterschaft im eigenen Land zu betreuen, ist gewaltig. Ich habe 1990 eine WM-Endrunde erlebt. Auch wenn sie nicht so erfolgreich war, aber ein Match gegen Gastgeber Italien ist einfach unvergesslich. Da spürst du, dass du den größten Job im Fußball hast. Nicht einmal der schon todkranke Ernst Happel konnte und wollte Nein sagen. Sollte Hans Krankl verbittert sein, kann ich das absolut nachvollziehen.

Standard: Aber man liefert sich einer Abhängigkeit aus, die gestalterischen Freiheiten sind begrenzt. Als Vereinstrainer kann man zum Präsidenten gehen und ihn bitten, dass er ein paar Verstärkungen kauft – auch Ausländer.

Hickersberger: Das stimmt. Aber meistens ist das auch nur eine theoretische Möglichkeit, bei Rapid ging es zunächst einmal um die Budgetsanierung. Ich habe meine Tätigkeit immer darin gesehen, aus dem vorhandenen Personal das Optimum rauszuholen. Ich war praktisch nie bei Klubs, bei denen Geld egal war. Einmal in Doha konnte ich mir Yeboah wünschen, Al Ittihad wurde Meister und Cupsieger.

Standard: Ihr Vorgänger Hans Krankl betonte stets die Wichtigkeit des Patriotismus. Hand aufs Herz bei der Hymne war quasi verpflichtend, man hatte bisweilen das Gefühl, dass sie besser singen als kicken können. Worauf legen Sie Wert?

Hickersberger: Jeder muss sich bewusst sein, dass er für Österreich spielt. Dazu gehört Patriotismus. Das hat nichts mit symbolischen Gesten zu tun, die Überzeugung muss von innen kommen.

Standard: Gibt es eine Art Zweieinhalbjahresplan bis zur Euro 2008? An wem kann man sich orientieren, Griechenland drängt sich förmlich auf?

Hickersberger: Im Fußball gibt es ab und zu Überraschungen, Dänemark und Griechenland wurden Europameister – die Dänen durch eine Unbekümmertheit, die von uns 2008 nicht zu erwarten ist, weil wir unter Druck stehen. Das Beispiel Griechenland ist nett, man darf aber nicht vergessen, dass viele Spieler bei guten Vereinen im Ausland tätig waren und sind.

Standard: Ist Otto Rehhagel ein Beispiel dafür, dass ein Teamchef doch gestalten kann?

Hickersberger: Otto Rehhagel ist ein Beispiel dafür, dass man mit Außenseitern bestehen kann. Aber er ist wirklich eine Ausnahme.

Standard: Welches Ziel haben Sie sich für die Euro gesetzt?

Hickersberger: Ziel ist, eine Mannschaft aufzubauen, die einen Fußball zeigt, der von allen Anhängern als in Ordnung empfunden wird. Die Leute sollen sagen: „Für die muss man sich nicht genieren.“ Eine Testphase kann es nicht mehr geben, dazu ist die Zeit zu knapp. Ich muss rasch einen Stamm finden, der harmoniert, auf den Verlass ist. Ich werde mir genau anschauen, wann der eine oder andere Spieler absagt. Wenn einer dauernd verletzt ist, ist er ein Pechvogel, kein Teamkicker.

Standard: Wie schlecht ist der österreichische Fußball im internationalen Vergleich? Man könnte boshaft sagen, dass Rapid die Frage in der Champions League bereits beantwortet hat.

Hickersberger: Man kann es durchaus so sehen. Andererseits gibt es im Vereinsfußball durch das Bosman-Urteil, den Wegfall der Ausländerbeschränkung und aufgrund der finanziellen Möglichkeiten der reichsten Klubs keine Chancengleichheit. Barcelona, Chelsea oder Juventus kaufen das Beste, was am Markt zu haben ist. Als österreichischer Verein kann man da nicht konkurrieren. Das ist die Realität, was sollen also die dummen Vergleiche mit Chelsea. Bei den Nationalteams ist die Kluft geringer.

Standard: Gibt es, vom Geld abgesehen, andere Grundübel?

Hickersberger: Wir haben Jahrzehnte lang im Nachwuchs nicht gut gearbeitet. Da hinken wir im Vergleich mit der Schweiz nach. Auf Vereinsebene ist es eben schwieriger geworden, Talente auszubilden. Die Reichen kaufen einfach Klasseleute. Bei der U-17-WM ist mir einer aufgefallen, den ich für Rapid haben wollte. Es mangelt nicht am Erkennen. Er heißt übrigens Messi und ging zu Barcelona.

Standard: Hat sich der Typus des österreichischen Fußballers geändert? Sie waren ja Teil der legendären 78er-Mannschaft. Damals hatte nicht jeder Kicker, sogar der mittelmäßige, ein Dutzend Berater.

Hickersberger: Ich will das Problem nicht an Beratern oder Managern aufhängen. Wir hatten damals eine günstige Konstellation. Ein Krankl, ein Prohaska oder ein Pezzey wurden halt zur gleichen Zeit geboren. Sie spielten auf unterschiedlichen Positionen, mit fünf tollen Mittelfeldspielern hätte es ein Cordoba nie gegeben. Wir wurden nie besonders ausgebildet, Krankl hat zu Beginn Tischtennis gespielt, war dann Stopper bei Straßenbahn. Es war ziemlich viel Zufall dabei. Zufälle waren früher leichter möglich.

Standard: Sie führen die Misere aufs fehlende Geld zurück. Frank Stronach demonstrierte aber eindrucksvoll, dass man auch mit relativ viel Geld scheitern kann.

Hickersberger: Stronach war eine Ausnahme. Es bleibt dabei: Wo das meiste Geld ist, wird der beste Fußball gespielt, was die Vereine betrifft. Stronach scheiterte an der mangelnden Kontinuität und Geduld. Die Austria sollte wie ein Adler über Europa kreisen. Deshalb sind kaum Österreicher zum Einsatz gekommen. Dann holt er die Talente, die keine Praxis bekamen, weil sie keine Adler waren. Sie wurden weiterverliehen und sind verschwunden.

Standard: Es herrscht eine depressive Grundstimmung. Gibt es Anzeichen, dass sie ins Positive umschlägt?

Hickersberger: Ja, dass die Champions League für Rapid besser hätte laufen können. Wir schossen gegen die Bayern an die Latte, haben einen Elfer vergeben. Wir waren Brügge ebenbürtig. Der Modus war gegen uns. In einer Partie kann man eine bessere Mannschaft schlagen, bei einem Turnier kaum.

Standard: Die EM-Endrunde ist aber ein Turnier.

Hickersberger: Ja, aber Nationalteams sind kein Klubs.

Standard: Sie sagen über sich, dass Sie eine tolle Laufbahn, aber keine tolle Karriere gehabt haben. Was muss passieren, damit die Karriere toll wird?

Hickersberger: Für mich klingt Karriere nach etwas Besonderem. Ich bin aber nichts Besonderes. Es muss gar nichts passieren. Ich bin mit dem, was ich als Spieler erreicht habe, zufrieden. Und als Trainer bin ich nicht unzufrieden.

Standard: Unterscheidet sich der Teamchef Hickersberger vom Vereinstrainer?

Hickersberger: Nein, ein 57-Jähriger lässt keine Persönlichkeitsveränderung zu. Ich möchte als Trainer authentisch sein, nicht verglichen werden, keine Rolle spielen, erfolgreich arbeiten. Das geht nur dann, wenn man sich an Grundprinzipien hält. Der gegenseitige Respekt ist absolut notwendig, man muss jeden Spieler, jeden Menschen fair behandeln.

Standard: ÖFB-Präsident Friedrich Stickler gab Ihre Bestellung zu einem unpassenden Zeitpunkt, am Tag vor dem Match gegen Juventus, bekannt – ohne Ihr Wissen. Die Ära Hickersberger II begann nicht wirklich überzeugend.

Hickersberger: Es ist passiert, und es ist Vergangenheit. Aber es hat meine Arbeit bei Rapid sicher erschwert.

Standard: Zum Schluss ein kleiner Scherz. Bis zur EM sind so 20 Testspiele geplant. Wird Färöer einer der Gegner sein?

Hickersberger: Nein, mir liegt nichts daran, mich zu rehabilitieren. Ich betreue ja keine Wirtshausmannschaft. Testgegner sollten über eine gewisse Qualität verfügen. (24. Dezember, DER STANDARD Printausgabe 2006)

ZUR PERSON:

Josef Hickersberger, geboren am 27. April 1948 in Amstetten, kickte für Austria, Kickers Offenbach, Fortuna Düsseldorf, Innsbruck und Rapid. Er brachte es auf 39 Länderspiele (5 Tore). Er betreute das Nationalteam von 1987 bis 1990, die Ära endete am 12. 9. 1990 mit dem 0:1 gegen Färöer. Danach trainierte er die Austria, wechselte in den arabischen Raum, 2002 kam er zu Rapid und schaffte heuer den Meistertitel. Ab 1. Jänner ist er wieder Teamchef.