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Allein in der Kälte sollte niemand den Heiligen Abend verbringen. Selbstlose Menschen, karitative Vereine und Organisationen laden alle, die nicht wissen, wohin, zu Weihnachtsfeiern in Wärme und Geborgenheit ein.

Foto: EPA/Mario Tama
Sie spenden Hoffnung und lassen - wenn auch nur für wenige Stunden - so manches Leid vergessen, erfuhr Gerd Götzenbrucker.

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Der Mensch sucht Kontakt, Nähe, Berührung, er sehnt sich danach, aufgefangen, gehalten und umarmt zu werden. Gerade zu Weihnachten hat die kollektive Sehnsucht nach Liebe, Angenommensein, Friede und Gemeinschaft Hochkonjunktur. Und doch gibt es immer mehr Menschen, die Weihnachten abseits von Kleinfamilienglück und wohliger Wärme verbringen müssen. Für sie ist es in der vermeintlich stillsten Zeit des Jahres zu still geworden: voll Einsamkeit, Depressionen, Erinnerungen an die eigene Kindheit und mit dem unerträglichen Gefühl, niemanden zum Reden zu haben.

Einsamkeit hat in der heutigen Leistungsgesellschaft erschreckend viele Gesichter. Sie spiegelt sich in den Augen von Alleinerzieherinnen mit schlecht bezahlten Jobs genauso wie in der verborgenen Armut von Mindestpensionisten, die im Winter in ihren Wohnungen frieren müssen, da das Geld zum Heizen fehlt. Oder im Schicksal vieler Ausländerfamilien, die zusammengepfercht in einer Ein-Zimmer-Substandardwohnung leben. Am augenscheinlichsten zeigt sich die seelische Vereinsamung jedoch in den Gesichtern jener Menschen, die so ziemlich alles verloren haben - nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihre Familie, Freunde und ihren Beruf. Für Obdachlose, Asylwerber, Suchtkranke und vereinsamte Menschen ist die opulent illuminierte Weihnachtszeit die dunkelste Zeit im Jahr.

Auswahl und Kriterien

Einziger Lichtblick dieser Menschen ist die selbstlose Arbeit von karitativen und kirchlichen Vereinen und Organisationen, die Jahr für Jahr zahlreiche Weihnachtsfeiern auf die Beine stellen und diesen Menschen somit eines zurückgeben: Hoffnung. Im Folgenden werden die traditionellsten und stimmungsvollsten Veranstaltungen in Wien vorgestellt. Für die Auswahl ausschlaggebend waren neben dem "offenen Charakter" die Intention der jeweiligen Feier sowie das festliche Rahmenprogramm und das Ambiente des Veranstaltungsortes. Erreichbarkeit, Dauer und Betreuungsmöglichkeiten vor Ort waren weitere Kriterien. Auf eine Benotung wurde jedoch verzichtet.

Die Ergebnisse

Weihnachtsfeier für Obdachlose

Caritas, Betreuungszentrum Gruft, 6., Barnabiteng. 14, www.gruft.at; 24. 12., Beginn: 17 Uhr

Für akut wohnungslose Frauen und Männer ist die "Gruft" gerade zur Weihnachtszeit der einzige Zufluchtsort. Das alte Kellergewölbe unter der Mariahilfer Kirche ist Wiens größte Wärmestube und bedeutet für Obdachlose nicht nur die Sicherung von Grundbedürfnissen wie Mahlzeiten, Duschen, Wäsche waschen und eine Schlafstelle zu haben. Rund um die Uhr steht ein engagiertes Team auch sozialarbeiterisch zur Verfügung und hilft, wo es nur geht. Einmal im Jahr, am Heiligen Abend, ist jedoch alles anders: Da werden die Tische festlich gedeckt und gemeinsam wird ein Christbaum geschmückt. Die Gruft wird zu einem Ort voller Wärme, Geborgenheit und Zuversicht. Auch dieses Jahr werden am 24. Dezember mehr als 200 Obdachlose an der offenen Weihnachtsfeier teilnehmen. Zur Einstimmung werden Texte "über das Leben auf der Straße" vorgetragen, bis schließlich um 18 Uhr der hauseigene Pfarrer zur eigentlichen Feier bittet. Danach gibt es für jeden Anwesenden ein Packerl und ein weihnachtliches Festessen.

Weihnachtsfeier für Seniorinnen und Senioren

Stadt Wien, Kuratorium Wr. Pensionisten-Wohnhäuser, www.willkommen-im-klub.at; 24.12., Beginn & Voranmeldung unter 313 99 421

Unter dem Motto "Gemeinsam statt einsam" finden am späten Nachmittag des 24. Dezember die bereits zur Institution gewordenen "Weihnachtsjausen" der Wiener Pensionistenklubs statt. Insgesamt elf Lokale - verteilt über alle Wiener Gemeindebezirke - laden zu Kaffee, Kuchen und gemütlichem Zusammensein. Höhepunkt dieser offenen Weihnachtsfeiern ist ein Rahmenprogramm, bei dem kleinere Geschichten und Gedichte vorgelesen und Lieder intoniert werden. Auch das Entzünden der Weihnachtskerzen sorgt für wohlige Wärme und Festtagslaune. Leider sind die Feiern auf wenige Stunden begrenzt. Dafür können aber Informationen über andere Veranstaltungen bis hin zu organisierten Urlaubsreisen für Seniorinnen und Senioren eingeholt und im privaten Rahmen weiterverfolgt werden.

Winterfest für Asylwerber und Flüchtlinge

Verein Ute Bock, 7., Zollergasse 15, www.fraubock.at; 21. 12., Beginn: 15 Uhr

Für einsame Asylwerber/innen und Flüchtlinge, die vergangene Weihachten Ute Bocks erstes Winterfest im Werkstätten- und Kulturhaus (WUK) verpasst haben (oder noch nicht in Wien angekommen sind), gibt es am 21. Dezember erneut die Gelegenheit, am wohl größten multikulturellen Fest der Weihnachtszeit teilzunehmen. Neben einem Kinderprogramm werden ab 19 Uhr verschiedene Musikacts (von HipHop bis Reggae) live dargeboten. Dazu gibt's auch heuer ein großes internationales Gratisbuffet und jede Menge Getränke, ausgerichtet für knapp 300 Personen. Obwohl an diesem Abend bis spät in die Nacht gefeiert und getanzt wird, gibt es auch Gelegenheit, sich ausführlich über das Engagement der früheren Erzieherin Ute Bock zu informieren, die ihr Leben voll und ganz der Herbergsuche für Menschen auf der Flucht ausgerichtet hat. Rund 310 obdachlose Asylwerberinnen und -werber bringt ihr Flüchtlingsprojekt derzeit unter, in Wohngemeinschaften, die über ganz Wien verstreut sind. Ohne Ute Bock wäre Weihnachten für viele Menschen heute nicht denkbar.

Weihnachtsfeier für Alleinstehende und Einsame

Erzdiözese Wien, 1., Wollzeile, stephanscom.at; 24. 12., Beginn & Voranmeldung unter 515 52-0

In mehreren Wiener Gemeindebezirken laden Pfarren der Erzdiözese Wien zu Heiligabend einsame und bedürftige Menschen zu offenen Weihnachtsfeiern ein. So öffnet das Curhaus nahe dem Stephansdom bereits ab 17 Uhr seine Pforten und bittet zum festlich gedeckten Weihnachtstisch. Neben Gästen, Helfern und Dompfarrer nehmen auch die Priester des Doms daran teil. Insgesamt werden mehr als 100 Gäste erwartet, die auch ein Weihnachtsgeschenk überreicht bekommen. - In der Josefstadt bringt die "Breitenfelder Weihnacht" auch dieses Jahr viel Licht in die dunkle Seite der Weihnachtsfreude, vor allem dann, wenn zu mitternächtlicher Stunde der Jugendchor feierliche Gesänge aus aller Welt anstimmt. - Auf der Schmelz wird bereits am Nachmittag zur Senioren- und Kindermette gerufen. In der anschließenden Weihnachtsfeier im Marienheim können Menschen, die sonst im Abseits stehen, den Heiligen Abend in Gemeinschaft und wohliger Wärme verbringen.

Weihnachtsfeier für drogenkranke Menschen

Ganslwirt, Verein Wiener Sozialprojekte, 6., Esterházyg. 18, www.vws.or.at/ganslwirt; 24. 12., Beginn: 17 Uhr

Drogenabhängige und drogengefährdete Menschen aus der Wiener Straßenszene finden Zuflucht und Hilfe im Ganslwirt in Wien-Mariahilf. Seit nunmehr 15 Jahren ist Österreichs bekannteste sozialmedizinische Drogenberatungsstelle, die vom ehemaligen Wirtshaus an der Ecke Gumpendorfer Straße/Esterházygasse den Namen übernommen hat, rund um die Uhr geöffnet. So auch zu Weihnachten. Die offene Feier wird traditionell am Heiligen Abend abgehalten, traditionell ist auch das Festtagsmenü, das aus einer Gulaschsuppe und einem liebevoll zusammengestellten Wurst- und Käsebuffet besteht. An diesem Abend bekommt jeder, der an die Tür des Ganslwirtes klopft, ein besinnliches Weihnachtsfest ohne Wenn und Aber, mit Christbaum, Wunderkerzen und kleinen Geschenken. Und natürlich gibt's jede Menge Hilfe: von Dusche und Spritzentausch über ambulante Behandlung bis zu einem sicheren Bett zum Schlafen.

Weihnachtsfeier für Menschen mit psychosozialen Problemen

Regenbogenhaus, 14., Hadikg. 50, www.regenbogenhaus.at; 24. 12., Beginn: 15 Uhr

Seit 1982 wird im Regenbogenhaus, das vom Verein für gegenseitige Hilfe gegründet wurde, der Heilige Abend in beschaulichem Rahmen gefeiert. Neben der "Kernfamilie" - den Gästen seit der ersten Stunde des offenen Begegnungszentrums - sind alle Menschen willkommen, die an psychischen und körperlichen Erkrankungen, Arbeitslosigkeit oder Einsamkeit leiden. Auf sie warten ein reich gedeckter Tisch, warme Getränke und viel Gemütlichkeit. Auch heuer gibt's für jeden ein Geschenk - als Erinnerung an einen richtigen Weihnachtsabend.

Mobile Weihnachtsfeier für Kranke

Rote Nasen Clowndoctors, 17., Wattgasse 48, CliniClowns, 1., Schwarzenbergplatz 16 www.rotenasen.at, www.cliniclowns.at

Weihnachten ist eine Zeit der Freude, des Lachens. Doch all jene Menschen, oft Kinder oder Senioren, die wegen schwerer Krankheit ans Spital-, Rehabilitations- oder Geriatriebett gefesselt sind, haben wenig zu lachen - bis die Roten Nasen oder die CliniClowns kommen. Seit vielen Jahren versprühen die Clowns am 24. Dezember Lebensfreude und Herzenswärme, Mut und Hoffnung. Und bringen ein wunderbares Geschenk mit: ansteckendes Lachen. (DER STANDARD - Printausgabe, 24./25./26. Dezember 2005)