Schwarz-Blau muss glücklich sein: Helmut Draxler schlankt sein Unternehmen, den roten Riesen ÖBB, systematisch ab. Dass er mit seiner Stilllegungs-Strategie auch die SP-Bastion ÖBB Stück um Stück demontiert, kann Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess nur hellauf begeistern.
Draxler hat jedenfalls den günstigsten aller Zeitpunkte gewählt: Kritische Medien haben, angesichts von hundert Tagen Schwarz-Blau, andere Sorgen als die, den Erhalt von Nebenbahnen zu fordern. Die SPÖ ist mit Wundenlecken beschäftigt, und vor allem hat ja sie selbst den Nebenbahnkarren aufs Abstellgleis geschoben: Der Widerstand wird nicht von langer Dauer sein. Draxler handelt auch taktisch klug. Länder und Regionen wollen nämlich in der Regel ihre Bahn nicht verlieren, aber auch nichts zu deren sinnvollem Betrieb beitragen.
Jetzt heißt es: Zahl oder stirb, der Ball ist geschickt abgespielt. Letztendlich, ganz unhistorisch gesprochen, tut der ÖBB-Boss auch wirklich gut daran, Schluss zu machen: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, Eisenbahnromantik hin, Autolawine her. Er setzt einen Schlusspunkt unter eine lange Bummelfahrt, deren Ende schon seit langem absehbar war: 60 Jahre wurde das Auto systematisch gefördert, die Bahn gleichzeitig niedergewirtschaftet.
Zwei Beispiele genügen: Für eine PKW-Dienstfahrt von Wien nach Innsbruck und wieder zurück streift man runde 4400 Schilling Kilometergeld ein, nach Abrechnung der Benzinkosten bleibt ein ansehnliches Körberl Geld übrig. Fährt man mit der Bahn, rechnet man das Ticket ab, übrig bleibt nichts. Oder: Der Semmering-Bahntunnel wird gekillt, der Semmering-Straßentunnel ohne Widerrede gebaut.
Wichtige Achsen werden abgezwackt
Das jetzt diskutierte C-Netz wurde von der ÖBB (und Verkehrspolitikern) seit jeher nur als Defizitbringer angesehen. Doch in Wahrheit sind Nebenstrecken wichtige Zubringerachsen, die sich die Bahn nun abzwackt. "Ein Netz muss Stamm und Äste haben", kritisiert Wolfgang Rauh vom Verkehrsklub Österreich. In dünn besiedelten Regionen sei "Infrastruktur zwingend ein Defizitbringer", die Straße genau so wie die Schiene.
Die Schienen wurden im Gegensatz zu Straßen nie begradigt, Service und Kundenbetreuung dafür auf null reduziert. Und das bei einem Dienstleistungsunternehmen! Selbst Strecken, die touristische Knüller sein könnten, verluderten, weil von der fernen Zentrale in Wien ein regionaler Bahnbetrieb mit eigenen Gesetzlichkeiten niemals effektiv geführt werden konnte. Als Streckenbetreuer wurden Schaffner eingesetzt, die, bei bestem Willen, von zeitgemäßem Verkauf nichts verstehen. Gerade der öffentliche Verkehr aber bräuchte in Konkurrenz zum Auto gezielte Marketingmaßnahmen.
Vorbild Schweiz: Bahn effektiv beworben
Ein Beispiel dazu: In Gasthäusern, Hotels und Wartezimmern hingen einst Fahrpläne. Diese wertvollen Hinweise auf einen funktionierenden Bahnbetrieb verschwanden nach und nach aus der öffentlichen Wahrnehmung und wurden bis heute nicht ersetzt. Die Signale stehen auf Rot, dabei müssten unsere Entscheidungsträger nur eine kleine Bahnreise in die Schweiz absolvieren: Dort könnten sie glückliche Fahrdienstleiter sehen. Dort funktionieren Schmalspur- und Nebenbahnen blendend, da sie gehegt, gepflegt und effektiv beworben werden. Von ihrem Kanton, von ihrer Region, von Gemeinden und Bürgern.
Was wird bei uns geschehen? Bürgermeister werden poltern, sie wissen, dass sie mit Bahnanschluss bessere Chancen auf Betriebsansiedlung und Neuzuzug gehabt hätten. Touristiker werden Resolutionen verfassen, weil sie ihre Region plötzlich nicht mehr mit der romantischen Eisenbahn verkaufen können. Landeskaiser werden einen roten Kopf kriegen und auf die bösen ÖBB schimpfen: Helfen wird es wenig. Endstation, alles aussteigen. Zwei Milliarden können eingespart werden: Angesichts des österreichischen Mega-Defizits ist eine besonnene Debatte über eine sinnvolle, langfristig orientierte Verkehrspolitik nicht zu erwarten. Schad' drum!
Othmar Pruckner ist Journalist und Reisebuchautor in Wien.