Das verlangte der Papst in seiner Weihnachtsansprache - um die "wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Welt zu korrigieren". Ein Echo seines Vorgängers Johannes Paul II., der sich während seiner Amtszeit zunehmend antikapitalistischer äußerte. Es wäre leicht - und nicht ungerecht - darauf aufmerksam zu machen, dass die katholische Kirche durch ihre Haltung gegen Empfängnisverhütung gerade in den ärmsten Gebieten der Welt nicht nur die Überbevölkerung fördert, sondern auch die Verbreitung von Aids, durch das gerade Afrika weit gehend entvölkert wird. Trotz dieser krassen Ungereimtheit kann man aber den Worten des Papstes nicht die ehrliche Überzeugung absprechen, dass sich in der Welt(wirtschaft) etwas ändern muss.

Bedarf es deshalb aber gleich einer "neuen Weltordnung"? Das letzte Mal wurde dieser Begriff von George Bush, dem Älteren, gebraucht, als er nach dem Sieg 1991 über Saddam Hussein die Überzeugung aussprach, nun hätten blutige Diktatoren und Völkermörder ihre Lektion erhalten und würden es sich dreimal überlegen, kleine Nachbarn wie Kuwait zu überfallen. Im Anschluss daran richtete Saddam Hussein ein Massaker unter den irakischen Schiiten an, die sich im Vertrauen auf US-Unterstützung gegen ihn erhoben hatten.

Allerdings ist auch zynischer Nihilismus nicht angebracht. Es ist eine Tatsache, dass seither die Zahl der Kriege weltweit zurückgegangen ist. Eine "neue Weltordnung" gibt es nicht und kann es nicht geben. Prinzipien wie "das Recht auf humanitäre Intervention" setzen sich einmal durch (Bosnien-Herzegowina, Kosovo 1995 und 1999) , einmal nicht (derzeit im sudanesischen Darfur und im östlichen Kongo, wo jeweils ein Völkermord geschieht). Der Fortschritt liegt darin, dass noch vor wenigen Jahrzehnten überhaupt keine humanitären Interventionen stattfanden. Es ist auch unendlich schwer, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Welt zu korrigieren, wie es der Papst verlangt. Der reine Transfer von Geld und Ressourcen wie bei der Afrika-Hilfe hat wenig bewirkt, nach Meinung von manchen sogar geschadet. Eine abrupte Änderung des Gesellschaftssystems kann etwas bewirken, aber die Ungleichgewichte bleiben trotzdem.

China war bis vor 20 Jahren gleichmäßig bitterarm, jetzt gibt es an der Küste einen Gürtel der relativen Prosperität, die Mehrheit der Bauern im entlegenen Inneren lebt immer noch in großer Armut. Das entlädt sich bereits in gewaltsamen Aufständen. Der Preis für Chinas Wandel war im Übrigen auch eine verheerende Umweltschädigung.

Eher ein Modell wären Staaten wie Südkorea oder Taiwan, die zuerst die Marktwirtschaft und dann die Demokratie eingeführt haben, womit die Verteilungsproblematik in geordnete Bahnen gelenkt wurde.

Dennoch soll man sich vor großen Konzepten hüten. Der Bekämpfung von Armut, die aus Krankheit kommt, wäre besser gedient, wenn in manchen Regionen einfach die Sitte des Händewaschens eingeführt und durch Maßnahmen unterstützt würde - sagt eine internationale Studie. Die meisten "großen Würfe", auch die gut gemeinten, sind daran gescheitert, dass die Welt und das Verhalten der Menschen einfach zu unberechenbar und zu wenig beeinflussbar sind, um mit einem Schlag eine Wende zum Besseren herbeizuführen. Die einzig mögliche Lösung liegt in vielen tausend kleineren Ansätzen, wie den so genannten Minikrediten, die in der Dritten Welt vergeben werden, damit sich Einzelpersonen selbstständig machen können. Papst Benedikt ist intellektuell genug, um das zu erkennen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.12.2005)