Bedarf es deshalb aber gleich einer "neuen Weltordnung"? Das letzte Mal wurde dieser Begriff von George Bush, dem Älteren, gebraucht, als er nach dem Sieg 1991 über Saddam Hussein die Überzeugung aussprach, nun hätten blutige Diktatoren und Völkermörder ihre Lektion erhalten und würden es sich dreimal überlegen, kleine Nachbarn wie Kuwait zu überfallen. Im Anschluss daran richtete Saddam Hussein ein Massaker unter den irakischen Schiiten an, die sich im Vertrauen auf US-Unterstützung gegen ihn erhoben hatten.
Allerdings ist auch zynischer Nihilismus nicht angebracht. Es ist eine Tatsache, dass seither die Zahl der Kriege weltweit zurückgegangen ist. Eine "neue Weltordnung" gibt es nicht und kann es nicht geben. Prinzipien wie "das Recht auf humanitäre Intervention" setzen sich einmal durch (Bosnien-Herzegowina, Kosovo 1995 und 1999) , einmal nicht (derzeit im sudanesischen Darfur und im östlichen Kongo, wo jeweils ein Völkermord geschieht). Der Fortschritt liegt darin, dass noch vor wenigen Jahrzehnten überhaupt keine humanitären Interventionen stattfanden. Es ist auch unendlich schwer, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Welt zu korrigieren, wie es der Papst verlangt. Der reine Transfer von Geld und Ressourcen wie bei der Afrika-Hilfe hat wenig bewirkt, nach Meinung von manchen sogar geschadet. Eine abrupte Änderung des Gesellschaftssystems kann etwas bewirken, aber die Ungleichgewichte bleiben trotzdem.
China war bis vor 20 Jahren gleichmäßig bitterarm, jetzt gibt es an der Küste einen Gürtel der relativen Prosperität, die Mehrheit der Bauern im entlegenen Inneren lebt immer noch in großer Armut. Das entlädt sich bereits in gewaltsamen Aufständen. Der Preis für Chinas Wandel war im Übrigen auch eine verheerende Umweltschädigung.
Eher ein Modell wären Staaten wie Südkorea oder Taiwan, die zuerst die Marktwirtschaft und dann die Demokratie eingeführt haben, womit die Verteilungsproblematik in geordnete Bahnen gelenkt wurde.