Die Lockerung der Fernseh-Werberegeln in der neuen EU-Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" könnte nach Ansicht des Medienrechts-Experten Heinz Wittmann einen "Kommerzialisierungsschub" für die europäische TV-Landschaft bringen. Zu diesem Schluss kommt Wittman in einer der APA vorliegenden Beurteilung des Richtlinienentwurfs für den Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Der Vorstand des VÖZ wird sich in einer Sitzung am 19. Jänner mit der Richtlinie auseinander setzen.

Liberalisierungen "medienpolitisch brisant"

Die geplanten Liberalisierungen im Werbebereich sind nach Wittmans Ansicht "medienpolitisch brisant", vor allem im Bereich des Product Placements. Dieses galt bisher als Schleichwerbung und war somit unzulässig. Im Kommissions-Vorschlag wird es nun erstmals beim Namen genannt und prinzipiell erlaubt. Es darf allerdings nicht direkt zum Kauf auffordern, und die Zuschauer müssen am Programmbeginn über Produktplatzierungen informiert werden.

Das aber ist nach Wittmanns Ansicht zu wenig: Die Annahme, dass durch ein Insert am Beginn bzw. im Vorspann einer Sendung die Zuschauer ausreichend informiert würden, "erscheint unrealistisch", schreibt er. Viele Zuschauer würden ja erst einschalten, wenn das Programm bereits läuft. "Damit wird der Grundsatz des Wettbewerbsrechts, dass eine Werbemaßnahme nicht so getarnt werden darf, dass sie als solche dem Umworbenen nicht erkennbar wird, letztlich ausgehebelt", so der Jurist.

Printwerbung strenger reguliert als das Fernsehen

Zudem wäre die Printmedienwerbung künftig viel strenger reguliert als das Fernsehen. Zeitungen müssen jede entgeltliche Einschaltung unmittelbar kennzeichnen, etwa mit dem Vermerk "Anzeige". Wittmanns Fazit: "Für das europäische Fernsehen ergäbe sich im Falle der Legalisierung von Produktplatzierung in der vorliegenden Form unweigerlich ein Kommerzialisierungsschub, der die herkömmlichen Grenzen von Programm und Werbung zunehmend verwischen wird und sich auch auf andere Medien auswirken wird."

Die EU-Kommission hatte den Entwurf Mitte Dezember präsentiert, nun muss er von EU-Parlament und Rat abgesegnet werden. Das neue Regelwerk soll einerseits neue Technologien, etwa Video on Demand, berücksichtigen, andererseits die Vorschriften für Werbung und Sonderwerbeformen anpassen. Bei der Umsetzung der Richtlinie auf nationaler Ebene haben die Mitgliedstaaten allerdings einigen Spielraum. (APA)