Chefcontroller Blumenau, so erfuhr man im jüngsten Radiotagebuch des Kabarettistenduos Stermann & Grissemann auf FM 4, hat es nicht geschafft. Der Oberbuchhalter des Radiosenders lief Tag und Nacht mit ausgebreiteten Armen auf Bagdads Straßen umher, doch niemand wollte ihn entführen, keine Nation zu Hause an den Fernsehschirmen in Mitleid und ungeahnter Nächstenliebe zerfließen. Blumenau, so hört man, ist wieder zurück in Wien und sitzt frustriert an seinem Schreibtisch. Gibt es eine schlimmere Zurückweisung in diesen Tagen, in denen Osthoff und die durch den Jemen ziehenden österreichischen Architekten gerade befreit wurden?

Vom Absurden zum Dümmlichen ist es nicht weit. Susanne Osthoff, die deutsche Archäologin und Ex-Geisel, will möglichst schnell wieder zurück in den Irak, der Architekt Peter Schurz und die Studentin Barbara Meisterhofer bleiben gleich im Jemen und setzen nach dem kurzen Intermezzo mit ihren Entführern den Urlaub fort. Ihre Entführer waren keine Kriminellen, wusste Osthoff im arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera zu berichten. Sie könne den Männern auch keinen Vorwurf machen, denn schließlich könnten diese nicht in die scharf bewachte "grüne Zone" von Bagdad eindringen, um Amerikaner zu entführen. Muss man sich das ansehen?

Der Staat will humanitär sein

Der Staat zumindest muss. Seine Diplomaten sitzen an Feiertagen in Krisenstäben und vertreten sich die Beine beim Antichambrieren in fernen Regierungskanzleien, weil irgendwo wieder einmal ein Bürger in die Hände von Geiselnehmern gefallen ist. Denn der Staat - zumindest der westliche demokratische - will humanitär sein. Und außerdem verpflichtet ihn das Gesetz zum Beistand seiner Bürger im Ausland. Die Frage ist nur, wo die Verantwortung der Regierungen endet und die der Bürger beginnt.

Frau Osthoff, die in der Tradition anderer Orientreisender wie der Wienerin Ida Pfeiffer oder der Schweizer-Russin Isabelle Eberhardt wandeln mag, hat einen Lebensplan, der ganz offenkundig nicht in die Vorstellungen der Regierungspolitiker in Berlin und der Mehrheit der Deutschen zu Hause passt: Eine alte Karawanserei zu restaurieren und ein Frauenhaus aufzubauen, ist das eine, sehr anerkennenswerte Unterfangen; dies auch nach einer drei Wochen dauernden Geiselnahme in einem weitgehend rechtsfreien Land fortführen zu wollen, das andere.

Wo liegt die Verantwortung des deutschen Staates?

Die Archäologin Osthoff will ihre Persönlichkeit verwirklichen, was ihr gutes Recht ist, und ein mehr als zehnjähriges Engagement im Irak nicht aufgeben - wofür sich ebenfalls streiten lässt, denn was nutzt es den unbescholtenen Irakern, wenn alle zivilgesellschaftlichen Helfer aus dem Land abzögen. Doch was geht das noch alles den deutschen Staat an?

Die Trennlinie zwischen privat und öffentlich, Eigenverantwortung und staatlicher Fürsorge ist für die Regierung in Berlin - und ebenso in Wien - in Wahrheit schwer zu ziehen. Aber nicht weil die Fakten unklar wären, sondern weil die Demokratie ihren Tribut fordert: Die Geiselnahme eines einzelnen Bürgers kann eine ganze Gesellschaft mobilisieren, wenn sie in dem einen Entführungsfall nur wesentliche Momente ihres emotionalen Zusammenhalts wiederfindet - Verletzbarkeit und Stärke einer Frau etwa im Fall Osthoff. Eine demokratische Regierung kann es sich unter diesen Umständen nicht leisten, untätig zu sein. Die Zurückweisung, die Susanne Osthoff nun aber als offenkundig "undankbare" Bürgerin durch die deutsche Öffentlichkeit in einer nicht weniger emotional angetriebenen Umkehrung erfährt, bringt die Frage der Geiselnahmen zumindest auf einen nüchternen Punkt: Wer zahlt für den im Allgemeinen sehr beträchtlichen Aufwand, den der Staat zur Freilassung seiner Bürger betreiben muss?

Touristen zahlen je nach Vermögen

Der Fall der Saharareisenden im Sommer 2003 hat dafür eigentlich Klarheit geschaffen: Die Touristen zahlten - je nach Vermögen - für das Risiko, das sie mit ihrer Reise eingegangen waren. (DER STANDARD, Printausgabe 28.12.2005)