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Hwang Woo Suk, freudestrahlend. Inzwischen ist dem südkoreanischen Klonpionier das Lachen vergangen. Er gab Betrug zu. Seine Arbeit wurde veröffentlicht. Kontrollen versagten.

Foto: REUTERS/Lee Jae-Won
Die diskutierten Betrügereien des südkoreanischen Klonforschers Hwang Woo Suk zeigen nur eine Seite dieses Wissenschaftsskandals. Auf der anderen Seite steht das Versagen der Kontrollmechanismen innerhalb der Scientific Community.

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Hwang Woo Suk ist mit seinen 53 Jahren am Ende der Karriere. Mit dem Geständnis des südkoreanischen Klonforschers, zumindest einige Daten der heuer wohl aufsehenerregendsten Publikation manipuliert zu haben, gab der Veterinärmediziner bereits den Betrug zu. Ob nicht nur Teile der im Juni in Science erschienenen Studie über die angeblich erste Herstellung von patientenspezifischen Stammzelllinien gefälscht sind, sondern der gesamte Text, wird nun untersucht und bleibt abzuwarten.

Die Beantwortung einer Frage zu diesem Wissenschaftsskandal kann jedoch nicht warten: Wie kann so etwas überhaupt veröffentlicht werden? Haben die Kontrolleure des renommierten US-Wissenschaftsmagazins Science, die Studien vor Veröffentlichung im so genannten peer-review auf ihre Richtigkeit zu prüfen haben, versagt? Es deutet jedenfalls alles darauf hin. Was aber steckt dahinter?

Globalisierung und wirtschaftlicher Druck

Globalisierung und wirtschaftlicher Druck gehören längst zum Wissenschaftsbetrieb. Es gilt: "Publish or perish" - veröffentliche oder wirf das Ergebnis weg. Wer nicht rasch publiziert, hat in der Wissenschaft keine Chance. Allein dieser Konkurrenzdruck begünstigt oberflächliches Arbeiten: Unausgereifte Daten werden schnell publiziert, um ja der Erste zu sein.

Ökonomischen Druck gibt es derzeit besonders in der embryonalen Stammzellforschung, in die Mediziner große therapeutische Hoffnungen setzen, die, so der Durchbruch gelingen sollte, Milliardeneinnahmen aus Patenten verspricht: In vielen Staaten aus ethischen Gründen verpönt, versuchen die wenigen Länder, die diese Forschungen erlauben, sich am Weltmarkt zu positionieren, investieren Unsummen in entsprechende Arbeiten: Neben Südkorea sind das besonders Indien, Israel, Großbritannien, China und einige private Einrichtungen in den USA. Späterhin soll auch Singapur ein Zentrum werden. Die investierten Gelder sollen wieder hereinkommen, also wird - in Richtung Anwendung - geforscht und veröffentlicht, was geht.

Die Flut der auf Veröffentlichung wartenden Manuskripte verursacht aber ein gravierendes Problem: Gute und an prominenter Stelle arbeitende Wissenschafter, die für Fachmagazine die Studien vor der Publikation begutachten sollen und damit das Qualitätssicherungssystem darstellen, müssen inzwischen oft mehrere solcher Arbeiten pro Woche durchsehen. Angesichts des Engagements für die eigene Forschung und Lehre bleibt dafür kaum noch Zeit - verdient wird mit Gutachten übrigens nichts: Sie gehören zum Ethos der Wissenschafter.

Für die Überprüfung solcher als bahnbrechend eingestuften Studien durch mehrere unabhängige Fachleute sind im Schnitt vier Monate eingeplant. Laut Science dauerten die Fachkontrollen von Hwangs Arbeit jedoch nicht einmal zwei Monate. Vielleicht ist dies der Grund, warum auf elf Fotos von angeblich individuell unterschiedlichen Stammzelllinien in neun Fällen dieselbe DNA zu sehen ist. Dies hätte den Reviewern auffallen müssen. Hatten sie nur zu wenig Zeit, oder machte sie auch ein vorauseilender autoritärer Gehorsam blind? - Immerhin hatte Hwang bereits einen klingenden Namen.

Der Name macht's

Der südkoreanische Wissenschafter ist nämlich seit seinem ersten internationalen Erfolg, dem angeblich ersten zur Stammzellproduktion erfolgreich geklonten Embryo im März 2004 (ebenfalls in Science publiziert) in unglaublichen 52 in Topjournals veröffentlichten Arbeiten als Autor angeführt. Das ergäbe statistisch eine durchgeführte Studie alle zwei Wochen, was wohl kein Wissenschafter zuwege bringt. So ist Hwang in diesen Arbeiten auch nicht als Erstautor, sondern meist als letzter Autor angeführt - weil das eigentliche Forschungsteam an seiner Abteilung an der Uni in Seoul beheimatet ist, weil es sich auf eine seiner Arbeiten (wenn auch nur am Rande) bezieht, oder weil es ihm damit Ehre erweisen wollte - wie auch immer.

Durch diese permanenten Namenserwähnungen werden jedenfalls nicht nur einzelne Wissenschafter zu - kaum noch hinterfragten? - Stars in der Scientific Community hochstilisiert: Durch die permanente Zitation ihrer Namen, Studien und Veröffentlichungsorte erhöht sich der so errechnete Zitationsindex eines Magazins, der gleichsam den Aktienkurs des Journals darstellt. Je höher dieser ist, desto mehr Einfluss hat das Magazin auf den gesamten Wissenschaftsbetrieb, aber auch auf Wirtschaft und Politik - selbst in Österreich stellt die Anzahl an Publikationen in den bestbewerteten Magazinen ein wichtiges Kriterium für Forschungsgelder und sogar für die Besetzung von Universitätslehrstühlen dar.

Der Wissenschaftskandal um Hwang ist nicht der erste. Er zeigt aber ganz klar, dass die Kontrollsysteme der Magazine und damit auch der gesamten Forschung, die vor Betrügereien schützen sollten, versagen. (DER STANDARD, Printausgabe 28.12.2005)