Rio de Janeiro - Unklarheit herrschte am Mittwoch bei dem seit mehr als zwei Tagen andauernden Geiseldrama in einem Gefängnis der nordbrasilianischen Stadt Porto Velho. Laut brasilianischen Polizeiberichten war es zu einer Einigung mit den Anführern der Gefängnisrevolte im Amazonasgebiet gekommen.

In anderen Meldungen hieß es aber, es sei nach wie vor keine Lösung in Sicht. Demnach wurden die Verhandlungen zwischen den Behörden und den Anführern der Häftlingsrebellion in der Nacht zum Mittwoch ergebnislos unterbrochen.

Die mit Messern bewaffneten Häftlinge halten seit vergangenem Sonntag 196 Besucher in ihrer Gewalt. Die meisten der Geiseln sind Frauen und Kinder. Die Aufständischen fordern Verbesserungen der Haftbedingungen und die Rückkehr eines erst vor wenigen Tagen in eine andere Haftanstalt verlegten Mannes. Er gilt als Führer der Häftlinge.

Wie einige Strafgefangene per Mobiltelefon der Zeitung Estado de Sao Paulo mitteilten, haben sie seit Beginn der Revolte bereits 16 Mitgefangene wegen Verrats getötet. Die Behörden stellten diese Angaben aber in Zweifel. In Fernsehberichten war am Dienstag zu sehen, wie die Aufständischen auf dem Dach des Gefängnisses die Körper von zwei angeblichen Todesopfern zeigten. Sie drohten auch mit weiteren Tötungen.

Die Anstalt in Porto Velho war erst im April 2004 Schauplatz einer blutigen Rebellion gewesen. 15 Häftlinge wurden damals von Zellenkollegen gefoltert und ermordet. Fünf von ihnen wurden enthauptet. Die Anstalt wurde für höchstens 360 Insassen gebaut, derzeit sind es aber rund 1050.

Kritik von Seelsorger

Inzwischen übte im Zusammenhang mit der Revolte der austrobrasilianische Gefängnisseelsorger Günther Zgubic Kritik an der "unzureichenden" brasilianischen Sozialpolitik. Der Löwenanteil des brasilianischen Wirtschaftswachstums fließe zur Schuldentilgung in den Weltwährungsfonds, aus diesem Grund fehle Geld für dringend notwendige soziale Aufgaben.

Seit zehn Jahren sei deshalb die Kriminalität stark angestiegen, die Zahl der Gefangenen in Brasilien habe sich vervielfacht. 350.000 Menschen seien derzeit, zum Teil aus nichtigen Gründen, inhaftiert und würden dabei häufig ihrer Menschenwürde beraubt. (APA, dpa, Reuters, DER STANDARD - Printausgabe, 29. Dezember 2005)