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Ob von einer Ladenöffnung wirtschaftliche Impulse zu erwarten sind, darüber herrscht keine Einigkeit.

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Berlin - Einkaufen rund um die Uhr: Was in vielen Ländern längst Normalität ist, könnte ab dem kommenden Jahr auch in Deutschland möglich werden. Die von der großen Koalition geplante Föderalismusreform sieht vor, dass künftig jedes Bundesland selbst entscheiden kann, wie lange die Geschäfte offen bleiben. Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 fällt sogar der bisher weitgehend heilige Sonntag: Viele Bundesländer planen großzügige Sonderöffnungszeiten, um in- und ausländischen Gästen auch nach dem Abpfiff den Weg in die Geschäfte zu bahnen.

Auch wenn sich die Gewerkschaften ärgern: Fast alle Länder wollen im kommenden Jahr den Ladenschluss lockern. Mehrere zielen sogar auf eine völlige Freigabe an Werktagen. Das bedeutet: Wenn ein Geschäftsinhaber es will, kann er seinen Laden von montags 00.00 Uhr bis samstags 24.00 Uhr offen halten. Solche Pläne gibt es etwa in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und in Baden-Württemberg, das seit Jahren über den Bundesrat für eine Liberalisierung eingetreten war. Das Saarland hingegen will als einziges Bundesland die alten Öffnungszeiten behalten.

Wirtschaftliche Impulse

Alexia Sailer vom Sozialministerium in Stuttgart erwartet nicht nur mehr Kundenfreundlichkeit, sondern auch wirtschaftliche Impulse. Sie ist überzeugt: "Wer nicht viel Zeit hat, kauft nicht so viel ein." Joachim Neuser vom Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen ist da skeptischer. "Da kann man nichts prophezeien." Auch der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) rechnet unterm Strich nicht mit großen Umsatzsteigerungen. Einzelne Läden mit besonderem Standort könnten profitieren, für die Masse dürfte sich wenig ändern.

HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr geht ohnehin davon aus, dass Läden mit Öffnungszeiten rund um die Uhr die Ausnahme bleiben werden. "Die Läden können nur öffnen, wenn die Kunden da sind." Eine Kultur des "Late-night-shopping" habe sich in Deutschland bisher nicht entwickelt. NRW-Ministeriumssprecher Neuser sieht den Sinn der Neuregelung vor allem darin, den Händlern mehr Entscheidungsfreiheit zu geben: "Der Händler vor Ort weiß am besten, wann es sich lohnt, den Laden aufzumachen."

Einheitliche Klärung

Der Einzelhandel wünscht sich, dass die Länder ihre Schlusszeiten einigermaßen einheitlich klären. "Wir wollen keinen Flickenteppich aus Länderregelungen", sagt Pellengahr. Andernfalls käme es zu "Wettbewerbsverzerrungen" in Grenzgebieten: Kunden könnten beim Einkaufen über die Grenze in ein anderes Bundesland ausweichen, wo die Läden länger offen haben.

Trotzdem will die saarländische Regierung alles beim Alten lassen. Eine Ausdehnung der Ladeschlusszeiten würde die kleinen und mittleren Händler überfordern und lediglich "den großen Märkten auf der grünen Wiese" zu Gute kommen, sagt Regierungssprecher Udo Recktenwald. Ein mögliches Ausweichen der Kunden ins benachbarte Rheinland-Pfalz sieht er gelassen. Das Saarland habe wegen seiner Randlage ohnehin eine Sonderstellung: "Wir haben viele Kunden, die aus Frankreich zum Einkaufen rüberkommen."

Mitternachtseinkauf

Auf den ersten Mitternachts-Einkauf können sich die meisten Kunden wohl ohnehin erst mit dem WM-Eröffnungsspiel freuen. Zwischen dem 9. Juni und dem 9. Juli wollen unter anderem Hessen und Nordrhein-Westfalen (NRW) von einer schon bestehenden Ausnahmeregelung Gebrauch machen und an Werktagen das Einkaufen rund um die Uhr ermöglichen. Auch an Sonntagen können die Geschäfte dann öffnen, in NRW mit Ausnahme der spielfreien Tage. "Weltoffen und serviceorientiert" wollen sich damit die Länder zeigen, wie es der hessische Staatssekretär im Sozialministerium, Gerd Krämer, formuliert.

Abseits der Fußball-WM können die deutschen Bundesländer ihre neuen Ladenschlusszeiten dann frühestens Mitte kommenden Jahres verabschieden. Vorher muss noch der Bund seine Zuständigkeit abtreten. (APA)