STANDARD-Mitarbeiter Paul Kruntorad Wien - Mitten im Ersten Weltkrieg schlug der modernen Kunst die Schicksalsstunde. Marcel Duchamp platzierte in seinem New Yorker Atelier einige ready mades (u.a. das Porzellan-Urinoir, den Flaschentrockner) und lud zur Ausstellung ein. Seine Erwartung, dass die Objekte fortan als Kunst gelten würden, hat sich erfüllt. 50 Jahre später sollte Werner Spies, derzeit Direktor des Musée national d'art moderne im Centre Pompidou, in Hamburg einen Vortrag über Duchamp und seinen Flaschentrockner halten. Er fragte Duchamp, ob er ein Diapositiv mitnehmen soll. Er möge doch den Flaschentrockner im nächsten Pariser Grand Magasin kaufen, lautete der autoritative Rat. Dieser Flaschentrockner steht heute als Duchamp-Kunstwerk in der Hamburger Kunsthalle. Duchamp war überdies ein ausgezeichneter Schachspieler und es war ihm wohl bewusst, wie viele Varianten das von ihm erfundene Kunst-Spiel hat. Europas Schwester Christy Astuy, 1956 in den USA geboren, stellt seit 1988 kontinuierlich in Österreich aus. Jetzt hat sie das Kunsthistorische Museum infiltriert - mit einem doppelten Duchamp-Trick. In diversen Sälen der Gemäldegalerie hat sie acht Bilder platziert, deren Sujets auf die jeweilige Umgebung ausgerichtet sind. Manchmal wird das Prinzip augenfällig: "Mami" unter Madonnen mit Kind, "Blumenarrangement" neben Blumenstücken der niederländischen Schule. Bei den anderen Bildern, wie "Faun" (ein sitzender Männerakt mit Pudel und Truthahn), "Europas Schwester" (liegender weiblicher Akt neben einem Schimmel), wird der Bezug der Allegorie auf die Ikonologie des jeweiligen Saals nicht sofort sinnfällig. Doch Christy Astuys ästhetischer modus operandi in der Gemäldegalerie ist nicht das Mythologie- oder Bibel-Zitat, sondern der Eissalon-Kitsch, der Ungeduld hinsichtlich der Genauigkeit der Ausführung verrät. Im Kolorit wie in der Pose verfehlen die Anspielungen das Ziel. Parodie oder Travestie, so viel wird klar, hat die Künstlerin nicht im Sinn. Ihre "schlechte" Malerei ist - leicht erkennbar - Absicht. Sie spricht das Publikum also tongue in cheek , ironisch an. Aber sie will es nicht erziehen, indem sie durch "schlechten" Geschmack auf die Fragwürdigkeit des "guten" aufmerksam macht. Irgendwie färbt die Trivialität ab - die acht Bilder sind wie ein Virus, das ein Hacker in die Gemäldegalerie gesetzt hat, um den hier gespeicherten ästhetischen Wissensstand zu zersetzen. Man ist gar nicht mehr so sicher, dass man es hier nur mit Meisterwerken zu tun hat. Der Ball des Kunst-Spiels landet also wieder einmal beim Betrachter. Ein Publikum, das auf einem Einkaufsbummel für das schöne Heim in einer einschlägigen Kunsthandlung Christy Astuy pur vorfände, ohne kunsthistorische Flankierung, würde die Gutgläubigkeit professioneller Kitschmaler vermissen - so viel als Kompliment. Vergleich in Baden Arglistig sind Christy Astuys Bilder trotzdem - sie verheißen Entertainment, doch die Anspielungen sind dünn gesät. Vielleicht hat sie Subversion im Sinn, doch diese Landung von "Aliens" im Kunsthistorischen Museum hinterlässt in der Erinnerung keine Spuren. Wie ihre Bilder in einem ernsthaften Kunst-Ambiente, in einer Galerie für zeitgenössische Kunst, ohne kunsthistorische Garnierung, zur Geltung kommen, kann man in der Galerie Jünger, Baden bei Wien, feststellen. Kunsthistorisches Museum, 1., Burgring 5, 525 24-404. Di-So 10-18, Di und Do auch bis 21. Bis 31. Mai, Galerie Jünger, Villa Menotti, 1. Stock, 2500 Baden, Kaiser Franz-Ring 13, (02252) 483 37. Bis 16. Juni.