Bild nicht mehr verfügbar.

Mario Draghi, der als großer Privatisierungsexperte gilt, rückt zum Nachfolger von Antonio Fazio auf, der nach Bankskandalen zurücktreten musste.

Foto: Reuters
Der 58-jährige Investmentbanker Mario Draghi wurde Donnerstag zum neuen Chef der Banca d'Italia gewählt. Die Regierung in Rom hat diesmal keine Zeit verloren. Nur zehn Tage nach dem Rücktritt des ehemaligen Zentralbankchefs Antonio Fazio und nur einen Tag nachdem die Reform der Banca d'Italia in der Amtszeitung veröffentlicht wurde, bestellte die Regierung Draghi zum neuen Notenbank-Gouverneur. Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi wird den Vizepräsident der US-Investmentbank Goldman Sachs in Kürze offiziell zum "Governatore" ernennen. Draghi soll sein Amt Anfang Februar 2006 antreten.

Erstmals nicht lebenslänglich

Erstmals wird in Italien ein Zentralbankchef nicht lebenslänglich, sondern nur auf sechs Jahre ernannt. Die Notenbank-Reform sieht auch vor, dass der "Governatore" nur einmal wiedergewählt werden kann. Seine Kompetenzen wurden gegenüber‑ seinem Vorgänger eingeschränkt. Strategisch wichtige Entscheidungen können künf 3. Spalte tig nur mit kollegialer Zustimmung getroffen werden. Auch hat die Banca d'Italia als Bankaufsichtsbehörde künftig nicht die alleinige Entscheidungskraft bei Fusionen und Mergers im Bankgewerbe. Ihre Beschlüsse müssen von der Wettbewerbsbehörde abgesegnet werden. Die italienische Zentralbank ist in den letzten Monaten ins Kreuzfeuer der Kritik geraten und hat an Prestige verloren.

Fazios Erbe

Grund dafür war Zentralbankchef Antonio Fazio mit seinem keineswegs neutralen Verhalten im Bankübernahmegefecht. Fazio steht nicht nur im Verdacht des Amtsmissbrauchs und geheimer Absprachen mit den inländischen Bietern. Er habe die heimischen Kandidaten im Übernahmekampf um Banca Antonveneta und Banca Nazionale del Lavoro unterstützt und die ausländischen Kandidaten boykottiert. Auch ermitteln die Mailänder Untersuchungsrichter wegen kostspieliger Geschenke, welche der Zentralbankchef als Bankaufseher von ihm beaufsichtigter Banken wie etwa der Banca Popolare Italiana (BPI) angenommen habe.

Der neue italienische Zentralbankchef, der Finanzexperte Draghi, hat eine profunde wissenschaftliche Laufbahn hinter sich und unterrichtete nach seinem Doktorat an der MIT-Universität in Boston und Finanzwissenschaften in Florenz und in den USA. Von sich reden machte Draghi Ende der Neunzigerjahre, als er als Staatssekretär im Finanzministerium die größte Privatisierungswelle in Italien einleitete. Schließlich wurde auch das italienische Gesetz für Übernahmen börsennotierter Gesellschaften, das "legge Draghi", nach ihm benannt. Zweifellos hat Draghi das moralische und intellektuelle Rüstzeug, um das Image der Banca d'Italia wieder aufzupolieren, so die Mehrheitsmeinung in Italien. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.12.2005)