Die EU kann eine ziemlich fade und anstrengende Sache sein und eine Mehrheit der Österreicher ist derzeit nicht sehr gut auf sie zu sprechen. Es wäre daher an sich eine durchaus vertretbare Idee, "in durchaus lockerer Weise das Europabewusstsein zu schärfen", wie es Bundesgeneraldirektor Georg Springer in Verteidigung der angeblichen "Porno"-Rollplakate meint.

In der Realität war die Umsetzung des Projektes zur Schärfung des österreichischen EU-Bewusstseins jedoch ein Schuss ins Knie mit der Doppelläufigen, auch ohne dass der dahindämmernden Krone endlich wieder Gelegenheit für eine Kampagne gegeben wurde. Der Zweck der Aktion war, während der österreichischen EU-Präsidentschaft die Bürger wieder näher an den EU-Gedanken heranzuführen oder zumindest dafür zu interessieren. Das ist schwer genug, muss aber mit den Mitteln der künstlerischen Ironie zwangsläufig total schief gehen. Wenn ich für zehn Sekunden ein elektronisches "Rollplakat" auf einem Schirm am Straßenrand zeige, in dem der Blick auf einen weiblichen Schoß mit einem Slip mit EU-Symbol freigegeben wird, erreicht man höchstens eine Erhöhung der Auffahrunfälle, nicht aber eine Gedankenkette nach dem Muster: "Ah, das ist eine Anspielung auf Gustave Courbets (1819-1877) berühmtes Gemälde Der Ursprung der Welt, mit der die EU ironisiert werden soll. Welche sublime und zugleich lockere Schärfung des Europabewusstseins!"

Ähnliches gilt für die Verwendung eines Billigpornos mit den aufgeklebten Gesichtern von Queen Elisabeth, Bush und Chirac. Damit soll nach Aussage der Projektbetreiber der Globalisierung ein vernichtender Schlag versetzt werden.

Legitimierte jüngere Künstler

Künstler setzen manchmal sexuelle Sujets als Gestaltungsmittel ein (siehe etwa die international anerkannte Elke Krystufek) und das ist höchstens dann einer Diskussion unter intelligenten Menschen wert, wenn Strafrechtliches ins Spiel kommt. Die Autoren der beiden "Porno"-Sujets sind auch legitimierte jüngere Künstler. Aber als Mittel zur Schärfung des Europabewusstseins ist das einfach untauglich und handwerklich ein schwerer Patzer. Das müsste den verantwortlich Beauftragten, konkret dem Generalsekretär der Bundestheaterholding, Georg Springer, und dem ORF-Strategen Wolfgang Lorenz beides intelligente Menschen, eigentlich klar sein.

So aber ist die Aktion, die wieder einmal unter dem Rubrum "25peaces" läuft, eine glatte Themenverfehlung. Wie schon die Aktionen zum "Gedankenjahr", die ebenfalls mit ihrer teils läppischen Umsetzung ("Gemüsegarten" am Heldenplatz zum Gedenken an die hungernden Wiener) dem Thema nicht gerecht wurden, handelt es sich hier um eine krasse Fehlleistung.

Ob sich in der Kontroverse nun der Umgang der Bundesregierung mit Steuergeld manifestiert oder die "neue Kunstfeindlichkeit der SPÖ" (weil sie die Sujets kritisiert), ist, Pardon, Nebensache. Das Bundeskanzleramt kann Aktionen zur Förderung des EU-Gedankens sponsern (sollte allerdings aber nicht den Eindruck erwecken wollen, das sei eh nicht so); die Salzburger Landeshauptfrau kann das Sujet mit den gespreizten Beinen "frauenfeindlich" finden, aber das ist nicht der Punkt.

Der liegt darin, dass es eine Menge unbegründeter (und im übrigen von der Krone eifrig geschürter) Ressentiments gegen die EU gibt, sowie eine Reihe von berechtigten Kritikpunkten, die man so gut es geht, mit dem Bürger diskutieren sollte. Alles andere ist die hierzulande so beliebte sterile Aufgeregtheit. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.12.2005/1.1.2006)