Damaskus/Beirut - Syriens Innenminister General Ghazi Kanaan, der am Mittwoch nach offiziellen Angaben der Regierung in Damaskus Selbstmord verübt hat, war zwanzig Jahre syrischer Geheimdienstchef im Libanon. Die Intervention der syrischen Armee in dem kleinen Nachbarland erfolgte ein Jahr nach dem Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges auf Ersuchen der damaligen Staatsführung in Beirut:

1976 Im Juni marschiert die syrische Armee auf Ersuchen des libanesischen Präsidenten Suleiman Frangie ein und verhindert die drohende Niederlage der christlichen Milizen im Bürgerkrieg gegen moslemische und linke Verbände sowie palästinensische Gruppierungen. Im Oktober beschließt die Arabische Liga mit Zustimmung Beiruts, den syrischen Truppen ein Mandat als panarabische Friedenstruppe zu erteilen. Syrien wird sein Kontingent auf rund 40.000 Mann aufstocken.

1978 Israel besetzt zwischen März und Juni den Südlibanon bis zum Litani-Fluss und baut eine Söldnermiliz "Südlibanesische Armee" (SLA) unter Ex-Major Saad Haddad auf.

1981 Im April gehen syrische Truppen massiv gegen die rechtsgerichteten Christen-Milizen des Falange-Führers Bechir Gemayel vor, der Geheimkontakte zu Israel unterhält. Das christliche Lager zerfällt in anti- und pro-syrische Gruppen.

1982 Im Juni startet die israelische Armee unter Ariel Sharon ihren Feldzug "Frieden für Galiläa" und nimmt Beirut ein. Syrien verliert bei den Kampfhandlungen 300 Panzer und 85 Flugzeuge. Die PLO unter Yasser Arafat muss Beirut verlassen. Unter israelischem Schutz wählt ein Rumpfparlament Bechir Gemayel zum libanesischen Präsidenten. Dieser kann sein Amt nicht antreten, er kommt im September bei einem verheerenden Bombenanschlag auf das Falange-Hauptquartier ums Leben.

1983 Bechir Gemayels älterer Bruder und Nachfolger als Präsident, Amin Gemayel, unterzeichnet am 17. Mai einen von Israel diktierten Separatfrieden, der vom Parlament nicht ratifiziert wird. Iranische Revolutionswächter (Pasdaran) bauen in der östlichen Bekaa-Ebene die Schiiten-Miliz Hisbollah auf.

1984 Im Mai wird eine überkonfessionelle "Regierung der Nationalen Einheit" unter syrischer Vormundschaft gebildet.

1985 Monatelange Kämpfe zwischen Palästinensern und der von Syrien unterstützten schiitischen Amal-Miliz. Israel zieht seine Truppen zurück, behält aber den Süden als "Sicherheitszone".

1989/90 Als Chef einer von Damaskus nicht anerkannten Militärregierung ruft der christliche Armeechef General Michel Aoun einen "Nationalen Befreiungskrieg" gegen die Syrer aus. Den vom Parlament gewählten pro-syrischen Staatspräsidenten Elias Hraoui erkennt Aoun nicht an. Niederlage der Aoun-Truppen nach einer Offensive der syrischen Armee und pro-syrischer Heereseinheiten unter General Emile Lahoud. (Aoun geht nach Frankreich ins Exil). Schwere innerschiitische Kämpfe: Die Hisbollah drängt die Amal-Miliz zurück. In Taif (Saudiarabien) einigen sich die Bürgerkriegsparteien auf eine Nationale Versöhnungscharta, offizielle Beendigung des Bürgerkrieges.

1991 Syrisch-libanesischer Beistandspakt legt den Einfluss Syriens im Nachbarland fest.

1992 Erste Parlamentswahlen seit dem Bürgerkrieg. Der von Syrien und Saudiarabien unterstützte Großunternehmer Rafik Hariri wird Ministerpräsident.

1998 Der pro-syrische Armeechef General Emile Lahoud wird Staatspräsident.

2000 Israel zieht seine Truppen aus dem Südlibanon ab. Die Hisbollah rückt in das geräumte Gebiet vor.

2004 Der UNO-Sicherheitsrat fordert auf Initiative der USA und Frankreichs in der Resolution 1559 den Abzug aller ausländischen Truppen aus dem Libanon. Das Parlament in Beirut verlängert durch umstrittene Verfassungsänderung die Amtszeit von Präsident Lahoud um drei Jahre. Hariri tritt als Regierungschef zurück.

2005 14. Februar: Die Ermordung Hariris führt zu anti-syrischen Massendemonstrationen. Am 5. März kündigt Syriens Staatschef Bashar al-Assad den vollständigen Truppenrückzug bis Ende April an. Aoun kehrt im Mai triumphal nach Beirut zurück. Mai/Juni: Parlamentswahlen: Sieg eines von Hariris Sohn Saad angeführten multikonfessionellen Bündnisses. Bildung einer "Regierung der nationalen Verständigung" unter Premier Fouad Siniora. Der UNO-Sicherheitsrat beauftragt den deutschen Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis mit der Untersuchung des Hariri-Mordes. Festnahme von vier libanesischen Generälen. Mehlis reist nach Damaskus, um hohe syrische Offiziere, darunter Kanaan, zu befragen. (APA/AFP/dpa)