An sich ist es ein klassisches elektrotechnisches Problem: Wie kann man mit möglichst wenig Energie Information in möglichst optimaler Qualität übertragen? Nur entwickelt Clemens Zierhofer keine Handys, sondern Cochlea-Implantate (CI). Es geht ihm nicht um rauschfreies Telefonieren in der U-Bahn, sondern um das Hören an sich - von Menschen, die taub oder schwer hörbehindert sind.

Der Innsbrucker Forscher beschäftigt sich seit nunmehr genau 20 Jahren mit der Verbesserung und Weiterentwicklung dieser Innenohrprothesen. CI sind komplexe technologische Systeme (siehe Wissen), die sowohl über elektrotechnische wie biomedizinische Komponenten verfügen.

Umso erstaunlicher ist es, dass Zierhofer gleich auf mehreren dieser Felder innovativ war. In der Hochfrequenztechnik gelang es ihm etwa, die Dicke der eingesetzten Implantate von seinerzeit sechs auf vier Millimeter zu verringern, was die Implantation gerade bei kleinen Kindern erleichtert. Des Weiteren vermochte er die Frequenz der Stimulationsimpulse der implantierten Elektroden an die Neuronen deutlich zu steigern.

Seine vielleicht erstaunlichste Leistung liegt im Bereich der Signalverarbeitung. Zierhofer entwickelte einen Sprachprozessor, der nicht mehr als Taschenprozessor irgendwo in der Kleidung verstaut werden muss, sondern hinterm Ohr getragen werden kann. Das Schrumpfen des Prozessors vom Zigarettenschachtel- auf Knopfformat war durch die Entwicklung eines Mikrochips möglich, dessen Stromaufnahme statt 100 mA nur mehr ein mA betrug.

Für seine Verdienste hat Zierhofer im Dezember in München als erster Österreicher den mit 30.000 Euro dotierten Karl-Heinz-Beckurts-Preis erhalten. Die Auszeichnung wird vergeben für "herausragende wissenschaftlich-technische Leistungen, von denen Impulse für die industrielle Innovation ausgegangen oder zu erwarten sind". In der Tat sind gleich mehrere der von Zierhofer entwickelten Prototypen zur Marktreife gelangt.

Wachsender Markt

Etwa ein Promille der Bevölkerung ist taub, auch der Markt für Hörhilfen wächst. Billig sind die paar Gramm Hightech im Ohr nicht, etwa 15.000 Euro kostet ein Gerät ab Firma. Man müsse aber die Kosten sehen, die sich die Gesellschaft spart, wenn tausende Menschen hören können, so Zierhofer.

Seine eigene wissenschaftliche Arbeit ist seit 20 Jahren eng mit dem Medizinelektronikunternehmen MED-EL verknüpft, die bei CI zu den Weltmarktführern zählt. Gut 12.000 der weltweit etwa 80.000 im Gebrauch befindlichen CI stammen aus der in Innsbruck beheimateten Firma.

Früher gab es da mitunter schon Spannungen. "Ich wollte mich habilitieren und wissenschaftlich publizieren. MED-EL, die ja mit anderen Unternehmen konkurriert, war das nicht immer recht. Da habe ich mich in teilweise exotische Fragen der Signalverarbeitung geflüchtet." Später war Zierhofer im Rahmen der Aktion "Wissenschafter für die Wirtschaft" auch drei Jahre bei MED-EL selbst als "Entwicklungsingenieur" tätig.

Seit Februar 2005 leitet er das Christian-Doppler-Labor für "Aktive Implantierbare Systeme", das am Institut für Angewandte Physik der Universität Innsbruck angesiedelt ist. MED-EL steuert die Hälfte des Jahresbudgets von 400.000 Euro des Labors bei und erhält dafür die entstehenden Patente. Die öffentliche Hand bestreitet die andere Hälfte des Budgets, die Universität Innsbruck stellt die Infrastruktur und darf die im Rahmen dieser Partnerschaft mit der Industrie erworbenen Geräte behalten.

Wissenschaft bevorzugt

Trotz seiner anwendungsnahen Forschung zieht Zierhofer letztlich die ruhigeren Gefilde der Wissenschaft vor. Im täglichen Drunter und Drüber des Wirtschaftslebens komme das Nachdenken doch etwas zu kurz. Und gerade darauf komme es bei der Entwicklung neuer Technologien ja an.

Das Spannungsfeld, in dem sich seine Forschungen bewegen, ist jenes zwischen angewandter und Grundlagenforschung. Diese lassen sich aber kaum sinnvoll voneinander trennen, sondern sind in der täglichen Arbeit eng miteinander verschachtelt. Um konkrete Probleme etwa des Energieverbrauchs oder der Verkleinerung der Implantate zu lösen, müsse man sich immer wieder mit den Grundlagen der Signalverarbeitung beschäftigen. Da gebe es keine Lehrbücher, auf die man zurückgreifen könne.

Derzeit arbeitet Zierhofer mit seinem Team an einer verbesserten Repräsentation von "Feinstrukturinformation". Damit ließe sich etwa Musik besser hören. Oder Chinesisch. Denn tonale Sprachen, in denen also der Tonhöhe von Lauten entscheidende Bedeutung für das richtige Verstehen von Worten zukommt, können mit den handelsüblichen CI nicht gut von tauben Menschen verstanden werden.

Denn bisher wurden CI mit Blick auf die Bedürfnisse der westlichen Nutzer entwickelt. In Ostasien mit seinem wirtschaftlichen aufstrebenden Staaten und seinem Bevölkerungsreichtum sieht Zierhofer einen großen Markt. Und eine wissenschaftliche Herausforderung. (Oliver Hochadel/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 1. 2006)