"Meine Enttäuschung und Wut kennen keine Grenzen", erregt sich Claudio Gandolfi in der linken Tageszeitung L'Unità. Seinen Frust teilt der Linksdemokrat aus Bologna mit zehntausenden Parteigenossen. "Wir brauchen keine linken Berlusconis, sondern korrekte Politiker", erregt sich Benedetto Altieri. – Es gärt im Fußvolk der Democratici di Sinistra. Mit wachsendem Missmut registrieren Italiens Linkswähler seit Wochen die Enthüllungen der Medien über den Bankenskandal und dessen Verquickungen mit der Politik. Mit steigendem Unbehagen verfolgten sie vor allem die zwielichtige Rolle von Giovanni Consorte.

Der ehrgeizige Chef der Unipol-Versicherung und des linken Genossenschaftsimperiums Legacoop wollte die Banca Nazionale del Lavoro übernehmen – mit Rückendeckung der Linksdemokraten. Genüsslich veröffentlichte die Tageszeitung Il Giornale die Mitschnitte mehrerer Telefongespräche zwischen Consorte und Parteichef Piero Fassino. Zwar offenbart der gesetzwidrige Abdruck keinen rechtlich relevanten Tatbestand. Aber er beweist, dass die Linksdemokraten Consortes Übernahmeschlacht nicht nur mit Sympathie verfolgten, sondern tatkräftig unterstützten.

Fassino: "Sind wir jetzt Inhaber einer Bank?" Consorte: "Ja, es ist geschafft." Was der Parteichef zum Zeitpunkt des Gesprächs nicht wissen konnte: das Telefon seines Gesprächspartners wurde von der Staatsanwaltschaft abgehört. Die interessierte sich nicht für dessen Unterhaltung mit Fassino, sondern für seine Querverbindungen zum Skandalbanker Gianpiero Fiorani, zu zwielichtigen Immobilienmaklern und Finanzjongleuren, gegen die jetzt ermittelt wird.

Fiorani sitzt inzwischen im Gefängnis, Consorte ist zurückgetreten. Doch Fassinos ablenkender Fingerzeig auf die "Schmutzkampagne der Berlusconi-eigenen Zeitungen" vermag die aufgebrachten Gemüter in seiner Partei keineswegs zu beruhigen. "Wo bleibt die Moral, Genossen?" wollen Parteimitglieder auf der DS-Webseite wissen. "Wie wär's mit ein bisschen Selbstkritik?", wendet sich ein Leser der Unità an Piero Fassino.

Spitzenpolitiker der Partei fordern "ethische Verhaltensregeln". "Eine Verquickung von Politik und Geschäft wäre fatal", warnt Kampaniens Präsident Antonio Bassolino. Oppositionsführer Romano Prodi verfolgt die Entwicklung mit sichtlichem Unbehagen. Dass bisher kein wichtiger Vertreter der größten Oppositionspartei in den Bankenskandal um Fiorani und den zurückgetretenen Banca-d'Italia-Chef Antonio Fazio verwickelt scheint, kann er nur als schwachen Trost werten. Drei Monate vor der Wahl muss er sich den Spott des Forza-Italia-Sprechers (und ehemaligen Kommunisten) Sandro Bondi gefallen lassen: "An das Märchen von der Moral der Linken glaubt doch längst keiner mehr." (DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2006)