Der Skandal um den italienischen Versicherer Unipol sorgt für Schlagzeilen in Italien und setzt auch die italienische Presse unter Druck. Die Justizbehörden haben Ermittlungen gegen Maurizio Belpietro, Chefredakteur der rechtsliberalen Tageszeitung "Il Giornale" im Besitz der Familie des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi sowie gegen einen Journalisten aufgenommen.

Die Tageszeitung hatte in den vergangenen Tagen von den Justizbehörden abgehörte Telefongespräche zwischen dem Vorsitzenden der italienischen Linksdemokraten, Piero Fassino, und dem skandalumwitterten Chef Unipols, Giovanni Consorte, veröffentlicht. Die Justizbehörden wollen klären, wie die Zeitung die Aufzeichnungen der abgehörten Telefongespräche erhalten habe.

Politische Turbulenzen

Consorte war vor allem beschuldigt worden, seine Genossenschaftsbank habe sich bei dem Versuch, die römische BNL (Banca Nazionale del Lavoro) zu übernehmen, der Hilfe linker Politiker bedient und dafür ungewöhnliche Mittel bis hin zur Bestechung eingesetzt. In den abgehörten Gesprächen erkundigte sich Fassino bei Consorte, wie dieser die Übernahme der wesentlich größeren Bank bewerkstelligen wolle.

Der Skandal sorgt für politische Turbulenzen und droht sich negativ auf das Image von Italiens Linken auszuwirken: Die Unipol ist nämlich der Versicherungskonzern der mächtigen "roten" Genossenschaftsbewegung. Consorte, der wegen seiner Justizschwierigkeiten den Rücktritt vom Posten des Unipol-Geschäftsführers einreichen musste, werden enge politische Beziehungen zu Fassino nachgewiesen.

"Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses"

Die Affäre um Unipol erschüttert auch die italienische Justiz. Die Staatsanwaltschaft von Perugia hat eine Untersuchung gegen den römischen Ermittler, Achille Toro, aufgenommen. Dieser führt unter anderem heikle Ermittlungen gegen den Ex-Notenbankchef Antonio Fazio durch. Toro wird "Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses" vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft von Perugia geht davon aus, dass Toro Consorte über die Ermittlungen informiert hatte, die derzeit gegen ihn laufen.

Toro zählt zu den erfahrensten Staatsanwälten in Rom. Wegen seiner Kompetenzen im Finanzbereich waren ihm unter anderem die Ermittlungen gegen den vor Weihnachten zurückgetretenen Fazio anvertraut worden, gegen den sowohl in Rom als auch in Mailand eine Untersuchung wegen Insiderhandels läuft. Die Ermittlungen gegen Toro, der in den vergangenen Wochen Fazio vernommen hatte, stützen sich auf mehrere abgehörte Telefongespräche. Die Staatsanwaltschaft von Perugia nahm auch Ermittlungen gegen den Präsidenten des Mailänder Aufsichtsgerichts, Francesco Castellano, auf, der angeblich sowohl zu Toro als auch zu Consorte enge Verbindungen pflegte, berichteten italienische Medien.

Vorwurf von illegalen Absprachen

Toro reagierte entrüstet auf die Vorwürfe der Ermittler in Perugia. Er bekundete, dass er freiwillig auf alle Untersuchungen verzichte, mit denen er derzeit beauftragt ist, bis die Vorwürfe gegen ihn geklärt seien. Toros Ermittlungen wurden seinem Kollegen Giovanni Ferrara anvertraut. Der italienische Justizminister, Roberto Castelli, leitete über den Vorfall eine Untersuchung ein.

Den Unipol-Managern werden illegale Absprachen bei der Übernahme der BNL vorgeworfen. Der Versicherer wurde von Fazio unterstützt, der mit allen Mitteln eine Übernahme durch die spanische Bank BBVA verhindern wollte.

In den Unipol-Skandal ist auch die Deutsche Bank verwickelt. Angeblich soll es geheime Absprachen zwischen Unipol und dem Frankfurter Geldhaus gegeben haben. Die Mailänder Staatsanwälte gehen dem Verdacht nach, dass Consorte dem Bankenchef Gianpiero Fiorani offenbar näher stand als man dachte. Zum einen sollen die beiden Informationspflichten gegenüber der Börsenaufsicht unterlaufen haben, indem sie in den beiden Übernahmeschlachten um Antonveneta und BNL jeweils für den anderen Aktien kauften mit dem Versprechen, sie bei Bedarf weiterzureichen. Zum anderen soll Consorte zu den Kunden gehört haben, die von Fioranis Banca Popolare Italiana (BPI) besonders begünstigt wurden. (APA)