Für die Parlamentswahlen am 28. März werden jetzt in der gesamten politischen Landschaft Israels die Karten neu gemischt.

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Auch unter Führung des bisherigen Vizepremiers und früheren Jerusalemer Bürgermeister Ehud Olmert würde die neue Partei Kadima die vorzeitigen Parlamentswahlen am 28. März dieses Jahres klar gewinnen. Das ließen erste Umfragen vermuten, die am Freitag von zwei Zeitungen veröffentlicht wurden.

Olmert hatte nach dem schweren Schlaganfall Sharons am Mittwoch die Amtsgeschäfte als Regierungschef übernommen. Der in der Zeitung Ha'aretz veröffentlichten Umfrage zufolge käme Kadima mit einem Spitzenkandidaten Olmert nach derzeitiger Stimmungslage auf 40 der 120 Sitze im israelischen Parlament, der Knesset. Die von Sharon verlassene rechte Likud-Partei, die von seinem Dauerrivalen Benjamin Netanyahu geführt wird, könnte demnach mit 18 Sitzen rechnen. Der Arbeiterpartei unter ihrem neuen Vorsitzenden Amir Peretz, dem früheren Gewerkschaftsführer, werden in dieser Umfrage 13 Mandate vorhergesagt.

Einer zweiten, in der Zeitung Jedioth Aharonoth erschienenen Umfrage zufolge würde das Ergebnis der Kadima auf 42 Sitze steigen, sollte sie mit dem Spitzenkandidaten Shimon Peres antreten. Peres, ehemaliger Außenminister und Exvorsitzender der Arbeiterpartei, folgte Sharon nach dessen Bruch mit dem Likud in die neue Partei. Sharon sicherte ihm jeden gewünschten Posten in einer künftigen Regierung zu.

Die Blitzumfragen sind allerdings mit großer Vorsicht zu genießen. Experten zufolge könnte die Kadima bei den Erhebungen von einer durch Sharons Schlaganfall ausgelösten Sympathiewelle profitiert haben.

Vor allem der Widerstand des rechten Likud-Lagers unter Netanyahu gegen den Abzug aus dem Gazastreifen hatte Sharon im November zum Bruch veranlasst: Der Premier gründete die neue Partei Kadima. Verteidigungsminister Shaul Mofaz folgte Sharon und könnte nun ein ernsthafter Herausforderer des amtierenden Premiers Olmert werden. Ob Shimon Peres echte Chancen auf den Parteivorsitz hat, ist fraglich. Seine Attraktivität als Spitzenkandidat wäre vermutlich begrenzt. Dem 82-Jährigen wird von vielen Kritikern Opportunismus vorgeworfen.

Inhaltlich blieb Kadima bisher ein Fragezeichen. Ihr Programm hieß schlicht und einfach Ariel Sharon. Und der ließ seine Vorstellungen über eine Nahost-Lösung bewusst offen. Zuletzt hieß es in einem Zeitungsbericht, Sharon wolle mit Unterstützung einen Großteil des besetzten Westjordanlandes annektieren und zuvor eine Reihe von jüdischen Siedlungen aufgeben. Im Amt des Premiers bezeichnete man die Meldung als "reine Spekulation". (jk, Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 7.1.2006)